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Auch Versicherungsunternehmen setzen bei der Modernisierung ihrer IT-Infrastruktur zunehmend auf Cloud-Umgebungen, wie sie beispielsweise von den Hyperscalern Amazon, Microsoft und Google angeboten werden. Seit 2010 hat sich der weltweite Einsatz von 42,8 Milliarden US-Dollar Umsatz auf 561,1 Milliarden US-Dollar im Jahr 2023 etwa verdreizehnfacht. Bis 2025 soll der Umsatz sogar um weitere 20 Prozent auf rund 825 Milliarden US-Dollar steigen. In Deutschland wird das jährliche Wachstum des Marktvolumens für Cloud Services auf rund 20 Prozent geschätzt. Die Nutzung von Cloud-Umgebungen ist in den letzten Jahren bereits zum Standard geworden, so dass man von „Cloud First“ sprechen kann. Vor welchen Herausforderungen stehen Unternehmen dabei und wie können diese sinnvoll gemeistert werden?

Durch die Nutzung der Cloud werden virtuelle Maschinen (VM) und Anwendungen, Server, Datenbanken und Dienste, die zuvor in Rechenzentren vor Ort bereitgestellt wurden, hochverfügbar auf Computing-Plattformen bereitgestellt. Wesentliche Vorteile sind die hohe Rechenleistung, die Skalierbarkeit sowie die Verfügbarkeit der Technologien. Übergreifend werden Kosten gesenkt, da Dienste nicht mehr grundsätzlich für Lastspitzen vorgehalten, sondern bei Nichtnutzung heruntergefahren werden. Zudem entfallen die Wartungskosten für vor Ort gehostete Rechenzentren. Im Rahmen von FinOps wird zudem eine transparente Kostenzuordnung ermöglicht. Der Trend zum Cloud Computing hat weiter an Bedeutung gewonnen, da es die Basis für datengetriebene Geschäftsprozesse und KI ist.

Dabei stellt der Wechsel von on-premise gehosteten Systemen in die Cloud die Versicherer vor verschiedene Herausforderungen. Am Beispiel der High Line in New York City soll veranschaulicht werden, wie sich eine Transformation lohnen kann.

New York Citys High Line: weg vom Blech hin zum Park

Die Hochbahntrasse High Line verbindet auf einer Länge von 2,6 km den Meatpacking District mit den Hudson Yards in New York City. Vom atemberaubenden Blick über Chelsea und den Hudson River bis hin zum Park und Veranstaltungsort - die Vielseitigkeit der 7,5 m hohen Anlage ist beeindruckend. Schließlich wurde sie 1932 für den Güterverkehr geöffnet, um den dort ansässigen Unternehmen eine optimale infrastrukturelle Anbindung zu bieten und die Sicherheit der Fußgänger zu gewährleisten. Diese waren zuvor durch den zunehmenden Lastwagenverkehr gefährdet. Nachdem die Bahnstrecke in den folgenden Jahrzehnten jedoch immer weniger genutzt wurde und in den 1980er Jahren der letzte Güterzug über die Schienen rollte, sollte die allmählich verfallende Trasse abgerissen werden. Dagegen wehrten sich jedoch die Anwohner, die in der alten Bahntrasse ein Naherholungsgebiet sahen und auf die Vielfalt der entstehenden Natur aufmerksam wurden.

Im Jahr 2023 wurde die umgebaute Bahntrasse eröffnet und steht seitdem auf ihrer gesamten Länge den New Yorkern und Besuchern zum Schauen, Spazieren und Genießen von Kunst und Natur offen. Was für ein Symbol des Wandels!

Auch Unternehmen sehen darin einen großen Vorteil und wählen die Umgebung als neuen Standort. So ist nicht nur die Zufriedenheit der Anwohnerinnen und Anwohner, sondern auch die der anliegenden Unternehmen durch die Neuentwicklung gestiegen, indem neue Anforderungen gemeistert und eine moderne Infrastruktur geschaffen wurde.

Cloud Transformation: Weg vom Blech in die Cloud

Auch Versicherungsunternehmen stehen vor der Herausforderung, ihre bestehende Infrastruktur zu modernisieren, sich also insbesondere vom jahrzehntelang genutzten „Blech“ zu trennen und von On-Premise-Rechenzentren in die Cloud zu migrieren. Vielleicht steht sogar schon der Wechsel von einer Cloud in die nächste Cloud an. Die Basisangebote der Cloud-Anbieter sind in Bezug auf Netzwerk, Speicherkapazität und Rechenleistung sehr ähnlich. Abstufungen gibt es bei den weiterführenden Services.

Aus Unternehmenssicht lohnt es sich, alte Infrastrukturen und Prozesse zu hinterfragen, damit moderne Technologien für den IT-Betrieb Einzug halten können. Schließlich sind die Anforderungen an den IT-Betrieb und die Softwareentwicklung in den letzten Jahren rasant gestiegen, so dass eine skalierbare und schnelle Infrastruktur in der Cloud zum Standard geworden ist: Ressourcen- und datenintensive Anwendungen sowie Machine-Learning und KI-Lösungen benötigen eine Infrastruktur, die den schnellen Abruf von Daten ermöglicht. Zudem können datengetriebene Geschäftsprozesse Einzug halten.

Gerade Cloud Computing bietet die Möglichkeit, eine hochperformante Infrastruktur aufzubauen und gleichzeitig die Ressourcennutzung zu optimieren. Schließlich wird die Verfügbarkeit von Technologie mit hoher Rechenleistung in unterschiedlichen Regionen ermöglicht, so dass auch datenintensive Anwendungen zuverlässig und ausfallsicher betrieben werden können. Im Idealfall werden Ressourcen entsprechend ihrer Auslastung konfiguriert: Beispielsweise sollten Datenbanken in nicht produktiven Umgebungen nachts heruntergefahren werden, um Kosten zu sparen. Die Anpassung der Dienste an die tatsächlich benötigte Last ist ein wesentlicher Vorteil gegenüber Rechenzentren vor Ort. Denn so werden keine unnötigen Kapazitäten vorgehalten, die Energie verbrauchen. Dies fördert auch eine nachhaltigere IT mit geringerem CO2-Ausstoß.

Jeder Versicherer sollte sich zudem fragen, wie sicher das eigene Netzwerk, die Anwendungen und Datenbanken sind. Sind Daten und kritische Anwendungen im Katastrophenfall noch verfügbar und in angemessener Zeit wiederherstellbar? Wie hoch sind Recovery Point Objective (RPO) und Recovery Time Objective (RTO), also die maximal tolerierbare Zeit des Datenverlustes und die Wiederanlaufzeit der Anwendungen? Um den IT-Betrieb optimal abzusichern, müssen auch Katastrophenszenarien berücksichtigt werden.

Komplexitätsniveaus einordnen und Entscheidungen treffen: Das Cynefin-Framework

Wie bei der Transformation der Highline aufgezeigt, sollte auch bei der Migration von on-premise gehosteten Rechenzentren in die Cloud ex ante geprüft werden, welche individuellen internen und externen Anforderungen an die Cloud-Umgebung, die entsprechenden Services und die Migration bestehen. Neben der Cloud muss auch die Migrationsstrategie geplant werden. Bei der Auswahl eines Cloud-Anbieters können folgende Faktoren eine Rolle spielen:

  • Datenschutz und die Weitergabe personenbezogener Daten an Cloud-Anbieter,
  • Verfügbarkeit und Zugriffsmöglichkeiten, die von einer Internetverbindung abhängen,
  • Komplexität der Migration von Daten und Anwendungen in die neue Cloud und gegebenenfalls neue Datenbanken (unter Berücksichtigung der vorhandenen Infrastruktur),
  • Abhängigkeit vom Cloud-Anbieter und seinen Diensten (Vendor Lock-in).

Um bei der Projektinitiierung einerseits den Komplexitätsgrad des Ergebnisses (erfolgreiche Cloud-Migration) und andererseits das vorliegende Projektumfeld zu verstehen, bietet sich die Nutzung des Cynefin-Frameworks an. Dieses ermöglicht eine Einordnung in die fünf Domänen

  • offensichtlich,
  • kompliziert,
  • komplex,
  • chaotisch und
  • unordentlich

durchgeführt, die eine Entscheidung zum Projektvorgehen erleichtert. Die Bewertung beinhaltet die Einschätzung, wie sich die Variablen zwischen den Anforderungen verhalten: Sind die Variablen fest oder veränderlich, noch unklar oder bekannt? Gibt es offensichtliche Beziehungen zwischen den Anforderungen, die mit bekannter Expertise oder emergenten Arbeitsmethoden bewältigt werden können, oder müssen völlig neue Techniken eingesetzt werden? Befindet man sich gar in der fünften Domäne, der Unordnung, und hat keinerlei Informationen über die Variablen?

Neben den bestehenden Anforderungen und deren Wechselwirkungen fließen auch die Erfahrungen des Projektteams in die Entscheidung über die Vorgehensweise ein. Dabei führt eine gemeinsame Bewertung zu einer korrekten Bestimmung des Komplexitätsgrades.

Je nach Einordnung der Domäne eignen sich unterschiedliche Vorgehensweisen im Projekt, von Best Practice im offensichtlichen Bereich über Analyse und Ableitung von Optionen im Expertenkontext (Best Practice) bis hin zu Prototyping und eher kurzen Projektphasen mit engem Review. Dabei ist zu beachten, dass es im Projektverlauf zu einer Verschiebung zwischen den Bereichen kommen kann. In diesem Zusammenhang betrachtet der Ansatz den Übergang vom Offensichtlichen zum Chaotischen als eine für das Projekt fatale Klippe, die es zu vermeiden gilt. Beim Überschreiten der Domänengrenzen ist zu entscheiden, wie das weitere Vorgehen im Projekt gestaltet wird und wie lange die Projektphasen definiert werden.

Bei der Projektdurchführung im agilen Kontext kann die Priorisierung der Anforderungen beispielsweise anhand der Kategorien Must-, Should-, Could- oder Won't-Have erfolgen (MoSCoW-Ansatz). Der MoSCoW-Ansatz ist dabei nur bei einer zeitlichen Begrenzung anzuwenden. Dabei werden die Anforderungen nach ihrer Dringlichkeit unterschieden. Ein Must-Have-Feature muss zwingend innerhalb der Deadline umgesetzt werden. Should-Have- und Could-Have-Anforderungen haben eine geringere Priorität und sollten bzw. können umgesetzt werden. Eine Won't-Have-Anforderung zeigt an, dass die Anforderung nicht innerhalb der Timebox umgesetzt, sondern verworfen wird. Im agilen Kontext wird die Umsetzung der Anforderungen vom Product Owner priorisiert und im Team diskutiert.

Panta Rei – Nichts ist so beständig wie der Wandel (Heraklit)

Moderne Anforderungen an die Infrastruktur eines Versicherungsunternehmens sollten nicht nur als Pflicht verstanden werden, um mit neuen Technologien Schritt zu halten. Denn durch die Bereitstellung hochperformanter und skalierbarer Systeme kann die Cloud-Nutzung auch die Kür darstellen und neben der Optimierung von Geschäftsprozessen auch den Einsatz von KI fördern. Im Rahmen von FinOps ist es zudem möglich, die Cloud-Kosten unter Kontrolle zu halten und die Einnahmen zu steigern.

So wie in New York City der Wandel angenommen und die High Line in einen modernen Park mit vielfältigen Nutzungen umgewandelt wurde, bietet auch die Cloud Transformation eine Vielzahl an unternehmensindividuellen Gestaltungsmöglichkeiten. Schließlich bieten verschiedene Cloud-Anbieter skalierbare Services an, die für den eigenen Einsatz maßgeschneidert werden können. Auch die Migrationsstrategie in die gewünschte Cloud kann unternehmensindividuell gestaltet und umgesetzt werden. Dabei können agile Methoden zur Aufnahme und Bewertung neuer Anforderungen bei der Projektinitiierung und -durchführung erfolgreich eingesetzt werden. Auf diese Weise können Versicherer den Anforderungen an eine moderne Infrastruktur gerecht werden und die Gestaltung ihrer Infrastruktur in der Cloud optimal meistern.

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Bild Lotta Jaenecke

Autorin Lotta Jaenecke

Lotta Jaenecke ist bei adesso als Senior Consultant für die Entwicklung maßgeschneiderter IT-Lösungen bis hin zu Cloud-Migrationen in verschiedenen Rollen tätig. Sie verfügt über mehr als acht Jahre Berufserfahrung im agilen sowie klassischen Projektmanagement in der Prüfung und Beratung. Darüber hinaus beschäftigt sie sich intensiv mit Agilität, Requirements Engineering und KI.

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