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Detaillierte Anforderungen und ihre Priorisierung sind auch im Bereich der Energiewirtschaft die Grundlagen für erfolgreiche IT-Projekte. Das gilt vor allem, wenn es um virtuelle Kraftwerke geht. Arbeiten beispielsweise Stadtwerke mit Dienstleistern zusammen, sollten beide Seiten eine gemeinsame Sprache finden und interne Prozesse müssen zur Softwarelösung passen. In meinem Blog-Beitrag möchte ich euch zeigen, welche Vorteile ein stringentes Requirements Engineering in diesem Kontext hat und was die Methodik des Interaction Rooms damit zu tun hat.

Mit der Energiewende gewinnen regenerative Energiequellen, neue Speichertechnologien und dezentrale Versorgungskonzepte an Bedeutung. Eine Schlüsselrolle werden in Zukunft virtuelle Kraftwerke spielen. Ihr fragt euch, was ein virtuelles Kraftwerk genau ist? Ich verrate es euch: Experten verstehen darunter die zentrale Steuerung mehrerer Energieerzeugungsanlagen, vornehmlich aus dem Bereich der regenerativen Energieerzeugung.

Virtuelle Kraftwerke ermöglichen Synergien

Virtuelle Kraftwerke sollen Synergien durch den jeweils optimalen Anlageneinsatz ermöglichen. Dabei koordinieren und steuern sie vorrangig dezentrale Erzeuger, zunehmend jedoch auch Speicher und Verbraucher. Im Fokus stehen die bessere Vermarktung sowie die Erbringung von Systemdienstleistungen. Mögliche Ziele bestehen beispielsweise im Bereitstellen von Kapazitätsdienstleistungen für Smart Grids oder in der Beteiligung am Regelenergiemarkt zur Steigerung des Betriebsergebnisses.

Positive betriebswirtschaftliche Effekte

Wie ihr sicherlich wisst, liegen die Nachteile vieler erneuerbarer-Energieanlagen vor allem in der mangelnden Planbarkeit, Steuerbarkeit und Wettbewerbsfähigkeit am Energiemarkt. Virtuelle Kraftwerke kompensieren diese Nachteile durch die Aggregation in einem größeren Erzeugungspool. Die einzelnen Anlagen eines virtuellen Kraftwerks können beispielsweise so gesteuert werden, dass sie möglichst zu Zeiten mit einer hohen elektrischen Gesamtlast Strom in das Netz einspeisen. In Zeiten eines hohen Strompreises lassen sich damit Erlöspotenziale – insbesondere durch die Vermarktung an der Strombörse – erzielen. Wie ihr seht, erzielt der Betreiber eines virtuellen Kraftwerks positive strategische und betriebswirtschaftliche Effekte.

Stellt euch mal Stadtwerke als Teilnehmer in virtuellen Kraftwerken vor. Das hört sich sicherlich ungewöhnlich an, ist inzwischen aber gängige Praxis. Schließlich verfügen viele Stadtwerke über eine Vielzahl an Stromerzeugungsanlagen, deren Flexibilität heute ungenutzt ist. Virtuelle Kraftwerke können diesen Flexibilitätsschatz mittels digitaler Vernetzung heben und kurzfristig dem Stromhandel und Regelenergiemarkt zuführen.

Ein Beispiel aus der Praxis

Bereits in mehreren Projekten hat adesso bei der Geschäftsmodellvalidierung und Entwicklung eines entsprechenden Systems unterstützt. In einem Projekt wurde beispielsweise das Produktportfolio automatisiert, welches den Einsatzplan eines virtuellen Kraftwerks für den Day-Ahead-Handel von Energie am Energiemarkt optimiert und Regelenergie zur Verfügung stellt. Diese Optimierung hatte die Maximierung des Gewinns durch die eigenen Erzeugungsanlagen zum Ziel.

Damit die gegebene Problemstellung in dem genannten Projekt gelöst werden konnte, musste das System bestimmte Funktionen und Schnittstellen bereitstellen. Zunächst wurde per Schnittstelle eine Prognose der Marktpreise hinterlegt − basierend auf Markt- und Wetterdaten. Außerdem musste die Flexibilität der energieerzeugenden Anlagen in Form ihrer jeweils ausführbaren Fahrpläne auf Basis der Wetterprognose ermittelt werden. Mit diesen Informationen konnte ein optimiertes Portfolio erstellt werden. Für dieses Portfolio war die Berechnung eines optimalen Einsatzplanes erforderlich, damit die Auslieferung der gewählten Produkte garantiert werden konnte.

Aus meiner Sicht ist bei aktuellen Projektanfragen vor allem ein steigender Beratungsbedarf bei Geschäftsmodellen erkennbar. Der Markt für Regelleistung ist begrenzt und mittlerweile von hohem Wettbewerb zwischen den Anbietern geprägt, so dass die Margen hier unter starkem Druck sind. Hier sehe ich spannende und neue Möglichkeiten, die es zu evaluieren gilt. Je intelligenter die Netze werden, desto mehr Systemdienstleistungen können zukünftig virtuelle Kraftwerke übernehmen. Denkbar wäre hier der teilweise Ersatz der Momentanreserve. Damit gemeint ist der Lastausgleich im Netz durch kinetische Energie der Schwungmassen in Generatoren, die Steuerung von Wirk- und Blindleistungen, regionale Regelleistungsmärkte sowie die Einbeziehung von Elektroautos und Smart-Home-fähigen Haushaltsgeräten.

Anforderungen und Prioritäten mit der Interaction-Room-Methodik

Was hat nun der Interaction Room damit zu tun? Für eine optimale Projektdurchführung ist eine durchgängige und stringente Definition von Anforderungen und deren Management notwendig. In unseren Projekten werden die fundierten Requirements-Engineering-Methoden mit ausgewiesener Branchenkompetenz kombiniert, um die Anforderungen an nachhaltige Softwaresysteme strukturiert und effizient aufzunehmen. Auf diese Weise kann für den Kunden das optimale Softwaresystem ausgewählt oder erstellt werden.

Zudem muss ein gemeinsames Project Ownership und ein Verständnis der Anforderungen zwischen allen Stakeholdern im Fach- und IT-Bereich gegeben sein. Hier kommt der Interaction Room ins Spiel.

Im Interaction Room nehmen die Teilnehmer nacheinander verschiedene Perspektiven ein. Prozesse, Daten und Anwendungslandschaft decken so Abhängigkeiten auf und schaffen die Basis für effiziente Abstimmungsprozesse. Die konsequente Wertorientierung und der Fokus auf das Wesentliche ermöglichen somit eine effektive und zielorientierte Diskussion im Team.

Wie ihr wisst, entsteht ein gemeinsames Project Ownership durch aktives Einbeziehen aller Stakeholder. Darauf achten die Interaction Room Coaches. Zudem unterstützt die Methodik des Interaction Rooms dieses Vorhaben, denn jede der drei Perspektiven wird zudem mit grafischen Annotationen versehen, die bestimmte Werte, Herausforderungen und Risiken in den Modellen identifizieren.

Priorisieren und Erkennen von Risiken

Die Annotationen sind neben der Modellbildung ein wesentliches Element des Erkenntnisprozesses. Dem eigentlichen Entwicklerteam ist oftmals nicht klar, welche Features tatsächlich wertschöpfender Natur und welche bei näherem Hinsehen verzichtbarer Ballast sind. Von ebenso großer Bedeutung ist es, Ungewissheiten aktiv zu identifizieren, zu eliminieren sowie das oft implizite Wissen über Projektrisiken und Rahmenbedingungen für alle Stakeholder transparent zu machen.

Jede ins Modell geheftete Annotation wird im Team diskutiert, im Anschluss dokumentiert und mit einer ID versehen. Somit können die Teilnehmer auch später in der Umsetzung nachvollziehen, welcher Stakeholder welche Anforderung genannt hat. Und fast beiläufig entsteht in einer sehr frühen Projektphase ein Überblick über die Prioritäten und Risiken - allein durch die Anzahl und Art an Annotationen an einzelnen Prozessschritten, Objekten und Systemen.

Nachdem der Interaction Room in frühen Phasen von Projekten eingesetzt wurde, entwickelt sich seine Aufgabe zu einem Monitoring-Werkzeug: Es unterstützt das Team möglichst fokussiert arbeiten zu können, Risiko- und Anforderungsmanagement zu betreiben, den Budgetrahmen im Blick zu halten und den Fortschritt einzuschätzen.

Auf unseren Webseiten erfahrt ihr übrigens mehr zu den Themen „Virtuelle Kraftwerke“, „Interaction Room“ und „Requirements Engineering“.

Dieser Beitrag ist bereits erschienen in gwf Gas & Energie: ET: 30.01.18, Ausgabe 1/18, S.87f.

Bild David  Stolz

Autor David Stolz

David Stolz ist als Consultant bei adesso tätig. Seine Schwerpunkte sind Requirements Engineering und neue Geschäftsmodelle. Er betreut vorrangig Kunden in der Energie- und Versorgungswirtschaft wie Betreiber virtueller Kraftwerke oder Ladesäulenbetreiber für Elektroautos.

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