8. April 2021 von Thomas Raninger
Prozessoptimierung in der Regressbearbeitung
Versicherungstechnisches Handwerk im Dornröschenschlaf
Einleiten möchte ich den Blog-Beitrag mit einem Zitat aus Wikipedia zum Thema Regress:
- …
- Versicherungsrecht: Umfassende Regressansprüche besitzen Versicherungen gegenüber ihren Versicherungsnehmern oder Dritten. Bei der Schadensregulierung prüfen Versicherungen stets, ob sie den Verursacher oder den Versicherungsnehmer in Regress nehmen dürfen…
Wer auch immer diesen Eintrag geschrieben hat, hat in der Theorie recht, aber wohl noch nie eine Schadenabteilung von innen gesehen.
Die Prüfung, ob ein Regress vorliegt, wird sicherlich in keiner Versicherung „stets“ erfolgen. Hierfür sind die Fallzahlen der Sachbearbeitenden zu hoch und ist die IT-Unterstützung meist zu niedrig. Ich möchte die Arbeit aber keinesfalls schlechtreden. Ein Großteil der Fälle mit Regresspotenzial wird heute schon erkannt, aber bis zum tatsächlichen Zahlungseingang ist es ein langer und steiniger Weg, auf dem es hohe Reibungsverluste gibt.
Ist das Regressverfahren einmal eingeleitet, beginnt der mühsame Teil der Arbeit: Schuldner müssen ausfindig gemacht werden, man streitet über Haftung, Verschulden und/oder die Schadenhöhe, es werden Schadenmeldungen bei Haftpflichtversicherungen eingereicht, Gutachten erstellt und Anwälte kontaktiert. Und am Ende stellt sich heraus, dass die Bonität des Schuldners schon violett ist und er die Prämie für seine Haftpflichtversicherung nicht bezahlt hat. Das ist ein Worst-Case-Szenario, kommt aber auch vor.
Irgendwann ist dann der Punkt erreicht, an dem der Sachverhalt geklärt ist oder gar ein rechtskräftiger Titel vorliegt, der Schuldner aber trotzdem nicht zahlen will, trotz mehrmaliger Aufforderung. Nun ist guter Rat teuer, im wahrsten Sinn des Wortes. Der Regressbearbeitende kann den Akt entweder dem Rechtsanwalt oder einem Inkassobüro weiterleiten und beide verrechnen jeden weiteren Schritt.
Einige Stellschrauben zur Prozessoptimierung in der Regressbearbeitung im Überblick
In diesem Beitrag möchte ich nur überblicksmäßig einige Stellschrauben zur Prozessoptimierung in der Regressbearbeitung aufzeigen. Eingangs seien aber noch zwei grundlegende Sachverhalte erwähnt:
Erstens, dass jede Schadensparte mit Ihren Eigenheiten zu kämpfen hat. KFZ-Regresse sind beispielsweise oft standardisiert aber durch hohe Fallzahlen geprägt. Regresse bei Elementarschäden wiederum sind schwer zu finden und ein Fremdverschulden ist oft nicht nachzuweisen.
Zweitens, wenn ich von Regressen spreche, meine ich nur jene Fälle, in denen eine Legalzession nach § 86 VVG vorliegt. Darunter würden sich auch jene Fälle zu subsumieren, in denen eine gegnerische Versicherung ihrerseits eine Forderung auf diesen Rechtsanspruch stützt.
1. Das Ausfindigmachen von Fällen mit Regresspotenzial: Die Hauptlast liegt bei den Sachbearbeitenden und Sachverständigen, die mit ihrem über die Jahre erworbenem Wissen die Fallkonstellationen identifizieren können, wenn sie denn genug Zeit dafür haben. Schulungen und laufende Bewusstseinsbildung sind unerlässlich. Hier bewährt es sich, auch regelbasiert Fälle auszusteuern und ohne Anfangsverdacht auf Regressmöglichkeiten hin zu prüfen.
2. Informationen einholen: Es ist unerlässlich, den einzelnen Regressfall in einen Kontext zu setzten und die Gesamtsituation zu beurteilen, um dem sprichwörtlichen „schlechten Geld kein gutes Geld nachzuwerfen“. Zwei der wichtigsten Punkte sind die Bonität des Schuldners und der Nachweis des Verschuldens, beispielsweise mittels Beweissicherung am Schadenort. Je schneller man einen uneinbringlichen Regress erkennt, desto kostenschonender ist die Bearbeitung. Die gewonnene Zeit kann sinnvoller verwendet werden.
3. Schnelles Handeln: Je kürzer die Zeitspanne ist, in der ein Regress einbringlich gemacht wird, desto höher liegen die Erfolgschancen, das volle Potenzial auszuschöpfen. Dies beginnt bei der erstmaligen Anspruchserhebung und endet bei der Übergabe an ein Inkassounternehmen. Je schneller der Anwalt oder das Inkassobüro beauftragt wird, desto besser sind auch dort die Erfolgsaussichten.
4. IT-Support: Heutzutage sollte es keinen Aufwand mehr darstellen, Fristen zu evidenzieren und zu exekutieren oder Zahlungseingänge zu überwachen. Eine Ratenvereinbarung ist oftmals die einzige Möglichkeit, überhaupt Zahlungseingänge zu lukrieren. Dies ist aufgrund veralteter IT-Systeme aber oft nicht wirtschaftlich administrierbar.
5. Kostenoptimiertes Partnermanagement: Ein verlässlicher Partner beim Inkasso, der Kosten und Risiko vernünftig abwägt, ist genauso wichtig wie ein Anwalt, der auf Versicherungsregresse spezialisiert ist und im Sinne seines Klienten agiert.
Wie in vielen Bereichen hängt auch hier der Erfolg von vier wesentlichen Faktoren ab:
- einem gut aufgestellten Team,
- schlanken Prozessen,
- dem richtigen Werkzeug, um situationselastisch handlungsfähig zu sein sowie
- einer optimal unterstützenden IT-Landschaft, die es den Regressreferenten ermöglicht, sich auf den wesentlichen Teil ihrer Arbeit zu konzentrieren.
Das Ziel muss darin bestehen, schnell und aktiv zu handeln, um ein geplantes Jahresergebnis zu erreichen.
Meiner Erfahrung nach ist es durchaus möglich, zwei Prozent der jährlichen Schadenleistung bei einem breit aufgestellt Kompositversicherer mittels optimaler Regressbearbeitung wieder einbringlich zu machen – auch wenn tatsächliche Geldflüsse erst in den Folgejahren stattfinden.
Sollte die Grenzproduktivität im Bereich Anti-Fraud- und Personenschadenmanagement erreicht werden, so bin ich mir sicher, wird die Regressbearbeitung in den Fokus der Versicherer rücken. Jeder regressierte Euro schlägt sich positiv im EBIT nieder.
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