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ECO:DIGIT ist ein Forschungs- und Entwicklungsprojekt unter Beteiligung von adesso, das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie gefördert wird. Ziel des Projektes ist die Entwicklung und Standardisierung einer einheitlichen und offenen Methodik zur automatisierten Ökobilanzierung verteilter Softwaresysteme sowie die Implementierung eines entsprechenden Softwaresystems, das die Methodik einfach zugänglich und produktiv nutzbar macht. Übergeordnetes Ziel ist die Standardisierung einer technologieunabhängigen Methodik zur einheitlichen, vergleichbaren und ganzheitlichen Erfassung der Umweltwirkungen von Software.

Automatisierte Ökobilanzierung verteilter Softwaresysteme

ECO:DIGIT erfasst alle relevanten Umweltauswirkungen (Ökobilanzen), die mit dem Betrieb von Software verbunden sind. Neben den CO2-Emissionen sind dies zum Beispiel Umweltauswirkungen wie der Abbau von Seltenen Erden für IT-Hardware, solche, die durch Elektronikschrott entstehen, oder der Wasser-Fußabdruck von Rechenzentren. Von der Herstellung der benötigten Hardware über den Stromverbrauch während des Betriebs bis hin zur Entsorgung von Servern und Endgeräten liefert ECO:DIGIT eine ganzheitliche Lebenszyklusbetrachtung digitaler Dienste.

Im Gegensatz zu bestehenden Ansätzen und Tools zur Messung der Nachhaltigkeit von Software betrachtet ECO:DIGIT nicht nur einzelne Prozesse, Cluster oder Client-Server-Systeme - sondern beliebig komplexe verteilte Softwaresysteme. Die Methodik arbeitet technologieunabhängig - für Webanwendungen oder verteilte Apps ebenso wie für KI-Systeme - und plattformunabhängig, also sowohl für Cloud-Rechenzentren, Edge Devices, Mobilfunknetze als auch Client-Endgeräte.

Die Ökobilanzierung erfolgt vollautomatisch und Anwenderinnen und Anwender müssen keine eigenen Plugins oder Konnektoren für ihren Anwendungsfall entwickeln. Wer seine Software mit ECO:DIGIT ökobilanziert, benötigt zudem keine eigenen Hardware-Produktdatenblätter und muss keine physikalischen Messungen durchführen. Gleichzeitig ist ECO:DIGIT so flexibel, dass jederzeit eigene Daten hinterlegt werden können.

Motivierende Beispiele

ECO:DIGIT spielt seine Stärken in der Entscheidungsunterstützung aus. Entwicklerinnen und Entwickler können häufig nicht nur Designentscheidungen im Quellcode beeinflussen, sondern beispielsweise auch die Technologieauswahl oder die Konfiguration der Betriebsumgebung. Erfahrungen aus der Praxis zeigen, dass es im Gegensatz zu kleinen Änderungen im Quellcode vor allem diese großen strukturellen Entscheidungen sind, die über die Nachhaltigkeit von Software entscheiden. ECO:DIGIT liefert hier die notwendigen Einblicke, um Entscheidungen mit hoher ökologischer Wirksamkeit treffen zu können. Zwei Beispiele sind:

Zielkonflikte erkennen

In vielen Regionen besteht ein Zielkonflikt zwischen Energieeffizienz und Wassereffizienz. Vereinfacht gesagt kann eine gute Energieeffizienz mit einer schlechten Wassereffizienz erkauft werden. Bisherige Lösungen zur Quantifizierung von Software-Nachhaltigkeit machen solche Zielkonflikte nicht sichtbar und setzen damit implizit zu oft Anreize für Energieeffizienz, ohne alle relevanten Zielkonflikte zu adressieren. Da ECO:DIGIT nicht nur CO2 betrachtet, werden solche gegenläufigen und oft unbeabsichtigten Wechselwirkungen direkt sichtbar.

Offloading Problem

Cloud-Server sind in der Regel energieeffizienter als mobile Endgeräte. Gleichzeitig ist auch die Datenübertragung zwischen Cloud und Endgerät mit Umweltauswirkungen verbunden. Es stellt sich die Frage, unter welchen Umständen die Effizienzgewinne der Hardware durch die Übertragung der notwendigen Daten zur Hardware wieder aufgehoben werden. Mit ECO:DIGIT kann simuliert werden, wie groß der Effizienzunterschied zwischen den beiden Plattformen tatsächlich ist und welchen Einfluss die Datenübertragung hat. Damit wird eine Entscheidung für oder gegen die Auslagerung von Workloads auf effizientere oder weniger ausgelastete Hardware mit den notwendigen Daten ermöglicht.

Nutzung und Methodik

Die Nutzung der von adesso entwickelten ECO:DIGIT-Implementierung funktioniert wie folgt:

  • 1. Nutzende stellen einmalig die Beschreibung ihres Prüfkontextes zur Verfügung, die aus drei Elementen besteht:
    • a. Softwareartefakte wie Quellcode oder Binärdateien
    • b. Anwendungsszenarien wie Oberflächentests oder Lastskripte sowie Testdaten.
    • c. Infrastruktur, auf der die Software ausgeführt wird. Das heißt, Art und Anzahl der Geräte sowie technische Voraussetzungen, die für die Ausführung des Systems notwendig sind.

Dieser erste Schritt wird für das initiale Setup durchgeführt und kann in weiterer Folge über Programmierschnittstellen automatisiert in bestehende Entwicklungsworkflows integriert werden.

  • 2. ECO:DIGIT erzeugt auf Basis der Eingaben einen digitalen Zwilling, in dem die Software ausgeführt und unter reale Last gebracht wird.
  • 3. Während der Ausführung wird der Ressourcenverbrauch des digitalen Zwillings als vollständiges Abbild des verteilten Systems beobachtet.
  • 4. Nach der Ausführung wird eine vollständige Auswertung der Umweltauswirkungen, die durch die Ausführung des Systems entstanden sind, zur Verfügung gestellt. Die Bewertung kann in viele Kategorien wie Lebenszyklusphasen, Systemkomponenten oder Hardwarekomponenten aufgeschlüsselt werden.

Die notwendigen Ökobilanzdaten werden bereits im Projektverlauf erhoben und fließen in die ECO:DIGIT-Implementierung ein. Auf Basis einer neuartigen Kombination von vorhandenen Hardware-Ökobilanzdaten, Strommarktdaten und Energieverbrauchsprofilen können die relevanten Umweltwirkungskategorien in Anlehnung an die Ökobilanznorm ISO 14040:44 abgeschätzt werden. Die Orientierung an der Norm minimiert die Gefahr des Greenwashing und sichert eine hohe Akzeptanz der Ergebnisse.

Herausforderungen im Projekt

Die erste und wesentliche Herausforderung ist die objektive Ökobilanzierung, das heißt die Quantifizierung des Ist-Zustandes. Dies ist die Grundvoraussetzung für eine zielgerichtete Bewertung, Entscheidungsfindung und Optimierung. Die anschließende Bewertung und Optimierung ist jedoch nicht Gegenstand des Projektes. Ökobilanzen allein helfen Unternehmen bereits, wichtige Nachhaltigkeitskennzahlen zu erheben und darauf aufbauend Maßnahmen zu planen, umzusetzen und deren Wirksamkeit zu kontrollieren. Darüber hinaus können Aussagen zur Nachhaltigkeit von Softwareprodukten für deren Vermarktung getroffen, die Qualität und Leistungsfähigkeit von Systemen optimiert und positive Wechselwirkungen zwischen Nachhaltigkeit und Betriebskosten genutzt werden.

Die zweite große Herausforderung ist die Zugänglichkeit der technischen Lösung. Da diese sehr mächtig und technisch komplex ist, müssen die Anwender/innen gut angeleitet und durch das Setup geführt werden, um Fehler zu vermeiden, belastbare Ergebnisse zu erhalten und ECO:DIGIT kontinuierlich in ihre Arbeitsabläufe zu integrieren. Eine exzellente Methodik allein entfaltet nicht ihren vollen Nutzen, wenn sie nicht leicht zugänglich und anwendbar ist und sich so in der Praxis etablieren kann. Bei der Entwicklung wird daher besonderer Wert auf eine klare Kommunikation und gute User Experience gelegt.

Gemeinsam für mehr digitale Nachhaltigkeit

ECO:DIGIT ist ein Gemeinschaftsprojekt von adesso, Siemens, der Open Source Business Alliance (OSBA), dem Öko-Institut und der Gesellschaft für Informatik (GI). adesso hat den Forschungsbedarf identifiziert, das Projekt initiiert und ist im Projekt für die Basissoftware verantwortlich. Siemens bringt seine Expertise im Bereich Edge-Computing und mobile Netze ein. Die OSBA arbeitet schwerpunktmäßig im Arbeitspaket Cloud mit, das Öko-Institut begleitet das Projekt von wissenschaftlicher Seite mit Kompetenzen in der Ökobilanzierung und ist für die Methodik verantwortlich. Das GI ist Konsortialführer und verantwortlich für die Projektkoordination und Standardisierung der Methodik.

Die Idee zu ECO:DIGIT wurde im August 2022 von adesso geboren, nachdem in Kundenprojekten festgestellt wurde, dass die Limitationen bestehender Tools keine zielführende Entscheidungsfindung ermöglichen. Das Projekt startete offiziell im Juli 2023 mit Förderung durch das BMWK und läuft bis Juni 2026. Erste Ergebnisse werden für 2025 erwartet.

Mehr zum aktuellen Stand des Projekts findet ihr auf ecodigit.de.

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Bild Yelle Lieder

Autor Yelle Lieder

Yelle Lieder ist Green IT Lead bei adesso. Als Teil des CIO Advisory Competence Centers konzentriert er sich auf Strategien zur Messung und Reduzierung der Umweltauswirkungen von IT-Systemen sowie auf den Einsatz von Technologie zur Erreichung von Nachhaltigkeitszielen.

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