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Nachhaltigkeit hat viele Gesichter und beschränkt sich nicht nur auf Ökologie und Klima. In zwei Blog-Beiträgen habe ich beschrieben, welche Folgewirkungen der Megatrend auf die Bankenwelt ausüben kann. In diesem Beitrag möchte ich über die branchenspezifischen Besonderheiten hinaus einen allgemeinen Blick auf das Thema Nachhaltigkeit auf Basis der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen werfen. Das Verständnis der Ziele ist wichtig: Die Vereinten Nationen definieren mit der globalen Nachhaltigkeitsagenda die elementaren Grundlagen und stiften Orientierung für die nachhaltige Entwicklung von Gesellschaft, Politik und Wirtschaft.

Welches Spektrum deckt die Agenda ab? Was steckt konkret hinter den Zielen und wie können mögliche Ansätze für mehr Nachhaltigkeit aussehen? In diesem Beitrag gehe ich explizit diesen Fragen nach. Denn ähnlich wie bei einem Arztbesuch wäre ohne eine saubere Diagnose (Verständnis) jede Therapie (Maßnahmen) nur bedingt erfolgversprechend.

Die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen – die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung

Die Sustainable Development Goals (SDGs) der Vereinten Nationen wurden 2016 mit einer Laufzeit von 15 Jahren ins Leben gerufen. Sie definieren insgesamt 17 Nachhaltigkeitsziele mit dazugehörigen 169 Unterzielen, die es im Rahmen einer nachhaltigen Entwicklung bis 2030 zu erreichen gilt.

Allen Zielen ist gemein, dass sie einem klaren, übergeordneten Ziel dienen: Mit einem globalen Plan soll die weltweite Sicherung einer nachhaltigen Entwicklung auf ökonomischer, sozialer sowie ökologischer Ebene vorangetrieben werden. Im Zielbild wird eine nachhaltige Weltgemeinschaft angestrebt, die den globalen Wohlstand erhöht, Ungleichheiten im Lebensstandard reduziert, für mehr Chancengleichheit sorgt sowie den nachhaltigen Umgang mit natürlichen Ressourcen sicherstellt.

Mit den SDGs verpflichtet sich die Weltgemeinschaft von 193 Staaten, die gemeinsame Vision in nationale Entwicklungspläne zu überführen, um weltweit ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen und gleichzeitig die natürlichen Lebensgrundlagen dauerhaft zu bewahren. Ein genauer Blick auf die 17 Einzelziele schärft das Verständnis für die Handlungsnotwendigkeit.

Abb. 1: Ziele der Vereinten Nationen für eine nachhaltige Entwicklung (UN 2016)

Abb. 1: Ziele der Vereinten Nationen für eine nachhaltige Entwicklung (UN 2016)

Ziel 1: Keine Armut

2015 lebten weltweit 736 Millionen Menschen in extremer Armut (1,90 US-Dollar pro Tag). Armut ist jedoch mehr als der Mangel an Einkommen und Ressourcen. Hunger und Unterernährung, begrenzter Zugang zu Bildung und anderer Grundversorgung, soziale Diskriminierung und Ausgrenzung sowie die mangelnde Beteiligung an Entscheidungsprozessen sind weitere Erscheinungsformen. Armut in all ihren Formen und überall zu beenden ist ein definiertes Nachhaltigkeitsziel.

Ziel 2: Kein Hunger

2017 waren 821 Millionen Menschen unterernährt (vgl. 2015: 784 Millionen). Die Prognose der UN für Unterernährung im Jahr 2050 liegt bei ca. 2 Milliarden Menschen. Den weltweiten Hunger zu beenden, Ernährungssicherheit und eine bessere Ernährung zu erreichen sowie eine nachhaltige Landwirtschaft zu fördern sind klare Ziele der Agenda. Ein tiefgreifender Wandel des globalen Ernährungs- und Landwirtschaftssystems wird dabei als Grundvoraussetzung gesehen.

Ziel 3: Gesundheit und Wohlergehen

Ein gesundes Leben für alle in jedem Alter zu gewährleisten und das Wohlergehen zu fördern ist das dritte Nachhaltigkeitsziel. Als Indikator hierfür dient zum Beispiel die allgemeine Lebenserwartung oder aber auch die Sterblichkeitsrate von Kindern und Müttern. Bei Kindern unter fünf Jahren lag diese Zahl 2017 bei 5,4 Millionen. Eine effizientere Finanzierung der Gesundheitssysteme, verbesserte sanitäre Einrichtungen und bessere Hygiene, ein besserer Zugang zu Ärztinnen und Ärzten und geringere Luftverschmutzung können laut UN dazu beitragen, erhebliche Fortschritte zu erzielen.

Ziel 4: Hochwertige Bildung

750 Millionen Erwachsene, davon zwei Drittel Frauen, sind weltweit Analphabeten. Über 265 Millionen Kinder, 22 Prozent von ihnen im Grundschulalter, sind derzeit nicht in der Schule. Eine gleichberechtigte und hochwertige Bildung zu gewährleisten und die Möglichkeiten des lebenslangen Lernens für alle zu fördern wird als Ziel angestrebt.

Ziel 5: Geschlechtergleichheit (Gender Equality)

Die Gleichstellung der Geschlechter für ein selbstbestimmtes Leben ist ein Nachhaltigkeitsziel und wird von der UN als grundlegendes Menschenrecht sowie eine notwendige Grundlage für eine friedliche und nachhaltige Welt definiert. Sie impliziert das Ende aller Formen der Diskriminierung und Gewalt gegen Frauen und Mädchen (weltweit erfahren laut UN 18 Prozent der Frauen und Mädchen zwischen 15 und 49 Jahren physische oder sexuelle Gewalt). Der Zugang zu wirtschaftlichen und natürlichen Ressourcen soll unabhängig vom Geschlecht gewährleistet sein. Dabei soll auch die gleichberechtigte Teilhabe und Chancengleichheit von Frauen bei der Übernahme von Führungsrollen auf allen Ebenen der Entscheidungsfindung in allen gesellschaftlichen Bereichen gefördert werden.

Ziel 6: Sauberes Wasser und Sanitäreinrichtungen

Das sechste Nachhaltigkeitsziel der 2030-Agenda ist die erste internationale Zielsetzung, die sowohl den Zugang zu sauberem Trinkwasser und die Sanitärversorgung als auch den Gewässerschutz berücksichtigt. Dazu zählen eine langfristige Wasserverfügbarkeit, die effiziente Wassernutzung und die Förderung eines Wasserressourcenmanagements.

Ziel 7: Bezahlbare und saubere Energie

Bis zum Jahr 2030 soll für alle Menschen der Zugang zu bezahlbarer, verlässlicher, nachhaltiger und zeitgemäßer Energie erreicht werden. Das setzt voraus, dass der Anteil von erneuerbaren Energien im weltweiten Energiemix deutlich erhöht und die Steigerungsrate der Energieeffizienz verdoppelt wird.

Ziel 8: Menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum

Laut UN lebt rund die Hälfte der Weltbevölkerung von etwa 2 US-Dollar pro Tag, bei einer globalen Arbeitslosenquote von 5,7 Prozent. Dauerhaftes, breitenwirksames und nachhaltiges Wirtschaftswachstum, produktive Vollbeschäftigung und menschenwürdige Arbeit für alle zu fördern soll durch die Ausgestaltung einer zukunftsfähigen Ökonomie als Garant für gesellschaftlichen Wohlstand, an dem alle Menschen teilhaben, sicherstellen.

Ziel 9: Industrie, Innovation und Infrastruktur

Dieses Nachhaltigkeitsziel dient der Förderung nachhaltiger und widerstandsfähiger Infrastrukturen. Sie setzt voraus, dass Industrien umweltverträgliche Prozesse etablieren, Ressourcen effizient und in Kreisläufen verwenden sowie saubere Technologien nutzen bzw. selbst entwickeln.

Ziel 10: Weniger Ungleichheiten

Das zehnte Ziel soll dabei unterstützen, die Teilhabe an Wohlstand und die Verteilung von Einkommen gerechter zu gestalten. Um Ungleichheiten abzubauen, sollen Maßnahmen definiert werden, die den Bedürfnissen benachteiligter und marginalisierter Bevölkerungsgruppen Rechnung tragen. Ungleichheiten und große Unterschiede beim Zugang zu Gesundheits- und Bildungseinrichtungen und anderen Gütern gilt es zu minimieren.

Ziel 11: Nachhaltige Städte und Gemeinden

Zwei Milliarden Menschen haben weltweit keinen Zugang zu Abfallentsorgung. Städte und Siedlungen inklusiv, sicher, widerstandsfähig und nachhaltig zu gestalten ist entsprechend ein weiteres Nachhaltigkeitsziel der Agenda.

Ziel 12: Nachhaltige/r Konsum und Produktion

Bei diesem Nachhaltigkeitsziel stehen nachhaltiger Konsum und eine nachhaltige Produktion im Fokus. Es soll die Förderung der Ressourcen- und Energieeffizienz, die Bereitstellung einer nachhaltigen Infrastruktur und den Zugang zur Grundversorgung sicherstellen. Zudem soll durch das Angebot grüner und menschenwürdiger Arbeitsplätze eine bessere Lebensqualität erreicht werden.

Ziel 13: Maßnahmen zum Klimaschutz

Umgehende Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels und seiner negativen Auswirkungen zu ergreifen ist ein weiteres Ziel der UN. Neben der Minderung von Treibhausgas-Emissionen schließt dies Aufklärung und Sensibilisierung der Menschen sowie den Aufbau von Kapazitäten für die Klimafolgenanpassung mit ein.

Ziel 14: Leben unter Wasser

17 Prozent der Gewässer innerhalb nationaler Hoheitsgebiete stehen laut UN heute unter Schutz – das sind mehr als doppelt so viele wie 2010. Ozeane, Meere und Meeresressourcen im Sinne nachhaltiger Entwicklung zu erhalten und nachhaltig zu nutzen ist Inhalt des 14. Nachhaltigkeitsziels.

Ziel 15: Leben an Land

Landökosysteme schützen, wiederherstellen und ihre nachhaltige Nutzung fördern, Wälder nachhaltig bewirtschaften, Wüstenbildung bekämpfen, Bodenverschlechterung stoppen und umkehren sowie Biodiversität fördern – mit dem 15. Nachhaltigkeitsziel sollen der umfassende Schutz sowie die Wiederherstellung und die nachhaltige Nutzung von Ökosystemen auf nationaler und internationaler Ebene erreicht werden.

Ziel 16: Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen

Friedliche und inklusive Gesellschaften für eine nachhaltige Entwicklung zu fördern, allen Menschen Zugang zur Justiz zu ermöglichen und effektive, rechenschaftspflichtige und inklusive Institutionen auf allen Ebenen aufzubauen sind die Grundlagen des 16. Nachhaltigkeitsziels. Als Indikator hierfür dient u. a. die Zahl der ermittelten Opfer von Ausbeutung: Weltweit sind 70 Prozent der Betroffenen Frauen und Mädchen, die meisten werden Opfer von sexueller Ausbeutung.

Ziel 17: Partnerschaften zur Erreichung der Ziele

Dieses Nachhaltigkeitsziel fokussiert die Zusammenarbeit der Staaten. Eine erfolgreiche Agenda für nachhaltige Entwicklung erfordert Partnerschaften zwischen Regierungen, dem Privatsektor und der Zivilgesellschaft. Mit diesem Ziel sollen die gemeinschaftlichen Voraussetzungen dafür geschaffen werden.

Nachhaltigkeit auf nationaler Ebene

Die Überführung der globalen Ziele in nationale Gesetze und Richtlinien bildet die Grundlage für die erfolgreiche Umsetzung und nimmt Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Unternehmen und Zivilgesellschaft gleichermaßen in die Pflicht. So definiert die Bundesregierung den Weg zu einer nachhaltigen Gesellschaft als „Zukunftsvertrag der Weltgemeinschaft für das 21. Jahrhundert“ und formuliert im Rahmen der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie (DNS) für jedes der 17 Ziele konkrete Unterziele und Maßnahmen, die eine Überprüfung sicherstellen und den Handlungsfortschritt messen.

Zusammenfassung

Extreme Armut beenden, Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten bekämpfen, den Klimawandel stoppen, die Biodiversität fördern und vieles mehr – die Ziele für eine nachhaltige Entwicklung sind vielfältig, ihre Umsetzung ist herausfordernd. So heldenhaft das auch klingen mag, die Handlungsnotwendigkeit ergibt sich nicht nur aus rein altruistischen Motiven. Der Schutz der ökologischen Lebensgrundlagen und die Beseitigung von weltweiten Ungleichgewichten liegen im eigenen Interesse und bilden die Voraussetzung für langfristige soziale Stabilität, ökologische Rationalität und ökonomische Prosperität. Denn ohne ihre Erfüllung werden die Grundlagen für eine gesamtgesellschaftliche Partizipation an wirtschaftlichem Wohlstand, sozialem Fortschritt und kultureller Entwicklung langfristig nicht sicherzustellen sein. Auch in der Wirtschaft und auf unternehmensspezifischer Ebene werden Nachhaltigkeitselemente zunehmend verstärkt in den Fokus rücken. Neue Geschäftsmodelle mit attraktiven Wachstums- und Ertragspotenzialen sowie veränderte Markt- und Kundenanforderungen werden diesen Trend beschleunigen. Durch verschärfte regulatorische Maßnahmen wie die EU-Taxonomie sowie nationale Vorschriften und Gesetzgebungen wird zudem der Katalysatoreffekt verstärkt.

Wie sich diese Themen in der Bankenwelt wiederfinden, werde ich natürlich neugierig verfolgen und darüber berichten. Bleibt dran!

Weitere spannende Themen aus der adesso-Welt findet ihr in unseren bisher erschienenen Blog-Beiträgen.

Bild Nehir Safak-Turhan

Autorin Nehir Safak-Turhan

Nehir ist Senior Business Developer für die Line of Business Banking bei adesso und Volkswirtin aus Leidenschaft. Das Erkennen von bankwirtschaftlichen und branchenspezifischen Zusammenhängen und die Transformation dieser Informationen in Intelligenz ist ihr täglich Brot. Gemäß dem Sesamstraße-Prinzip „Wieso, weshalb, warum – wer nicht fragt bleibt dumm“ hat sie in ihrer über zwanzigjährigen Banking- und IT-Laufbahn nie aufgehört Fragen zu stellen, auf die sie stets Antworten sucht.

Kategorie:

Branchen

Schlagwörter:

Nachhaltigkeit

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