13. Januar 2022 von Lars Zimmermann , Stephen Lorenzen und Georg Benhöfer
Der Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung – ein Ausblick auf die energiewirtschaftlichen Themen der kommenden Jahre
Am 24.11.2021 haben die Koalitionäre von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP ihren Koalitionsvertrag vorgelegt, der die Leitlinien der nächsten Legislaturperiode vorgibt. Einen zentralen Bestandteil bilden energiewirtschaftliche Vorgaben, Maßnahmen und Richtlinien, um eine Transformation des deutschen Energiesektors zu ermöglichen und die Energiewende zu beschleunigen. In unserem Blog-Beitrag fassen wir die wesentlichen Punkte zusammen.
Der Abschnitt Klima, Energie, Transformation des Kapitels III Klimaschutz in einer sozialökologischen Marktwirtschaft beinhaltet folgende für den Energiesektor relevanten Aspekte:
Klimaschutzgesetz:
Bis Ende 2022 wird ein Klimaschutzsofortprogramm mit allen notwendigen Gesetzen und Vorhaben auf den Weg gebracht. Alle Sektoren, darunter auch die Stromerzeugung, müssen ihren Beitrag zur Erreichung der Klimaziele leisten. Die Einhaltung der Klimavorgaben wird mithilfe einer sektorübergreifenden und analog zum Pariser Klimaabkommen mehrjährigen Gesamtrechnung verifiziert. Für die Überprüfung dient als Basis ein jährliches Monitoring.
Erneuerbare Energien:
Aufgrund der Anpassungen der Strombedarfsprognose für das Jahr 2030 ist ein deutlicher Anstieg des Beitrags der erneuerbaren Energien beim Bruttostromverbrauch im Jahr 2030 von 65 auf 80 Prozent geplant und auch notwendig, um dem steigenden absoluten Strombedarf gerecht werden zu können. Ferner soll der dezentrale Ausbau erneuerbarer Energien gestärkt werden. Konkret ist hier ein Ausbauziel für Photovoltaik von 200 GW bis 2030 genannt. Die Potentiale der Wind- und Bioenergie sowie der Geothermie sollen ebenfalls stärker ausgenutzt werden.
Kohleausstieg:
Geplant ist ein Kohleausstieg bis 2030. Der Koalitionsvertrag hält fest, dass dies einen massiven Ausbau moderner Gaskraftwerke erfordert. Das Monitoring der in diesem Zusammenhang häufig erwähnten Versorgungssicherheit soll zukünftig zu einem sogenannten „echten Stresstest“ weiterentwickelt werden.
Gas und Wasserstoff:
Um den vorzeitigen Kohleausstieg zu gewährleisten, strebt die Ampelkoalition eine Beschleunigung der Errichtung moderner Gaskraftwerke (H2-ready) an. Diese sollen so lange die bestehende Energielücke schließen, bis eine ausreichende Versorgungssicherheit durch erneuerbare Energien gegeben ist. Als zentrales neues Substitut zu Erdgas wird der Ausbau der Wasserstoffinfrastruktur angestrebt. Zur Schaffung einer Nachfrage nach grünem Wasserstoff sollen bspw. öffentliche Institutionen verpflichtet werden, eine definierte Quote des eigenen Energiebedarfs mit grünem Wasserstoff zu decken. Die Herstellung soll durch einheimische Produktion, insbesondere über Offshore-Windparks, aber auch durch internationale strategische Partnerschaften vorangetrieben werden.
Netze und Speicher:
Die Bundesnetzagentur (BNetzA) und Netzbetreiber sollen einen Klimaneutralitätsplan im Hinblick auf die Netzentwicklung anfertigen, dessen Ergebnisse in den Bundesbedarfsplan einfließen. Parallel ist eine Roadmap „Systemstabilität bis Mitte 2023“ geplant, um die Versorgungssicherheit im Rahmen des Umbaus des Energiesektors langfristig zu gewährleisten. Somit werden durch die Berücksichtigung spartenübergreifender funktionierender, intelligenter Energienetze die Bedingungen für die zu beschleunigende Energiewende im Koalitionsvertrag anerkannt. Für den Bereich „Speicher“ ist darüber hinaus eine eigene Säule im Energiesektor geplant, die rechtlich noch zu definieren ist.
Strommarktdesign:
Um das Energiesystem auf einen hohen Anteil erneuerbarer Energien vorzubereiten, ist die Entwicklung eines neuen Strommarktdesigns geplant. Die Koalition setzt hier auf einen Mix aus gesicherter erneuerbarer Leistung, Gaskraftwerke, Speicher, Energieeffizienzmaßnahmen und Lastmanagement. Weitere Faktoren sind die CO2-Bepreisung sowie die Abschaffung der EEG-Umlage.
Klima- und Energieaußenpolitik:
Geplant ist die Stärkung multilateraler Zusammenarbeit bis 2030. Außerdem soll ein internationaler „Klimaclub“ gegründet werden, dessen Inhalte und Ziele jedoch noch weiter ausdifferenziert werden müssen. Daneben gibt es Bestrebungen hinsichtlich der Schaffung eines globalen Emissionssystems.
Sozial gerechte Energiepreise:
Der neue Koalitionsvertrag benennt das Ende der Finanzierung der EEG-Umlage über den Strompreis zum 01.01.2023, um so für sozial gerechte und für die Wirtschaft wettbewerbsfähige Energiepreise zu sorgen. Deshalb wird die Finanzierung über den Energie- und Klimafonds (EKF), der aus den Einnahmen des Emissionshandelssystems besteht, durchgeführt. Darüber hinaus werden der europäische Emissionshandel und das Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) im Sinne des EU-Programms „Fit for 55“ von der neuen Regierung überarbeitet. Dabei wird insbesondere auf einen steigenden CO2-Preis gesetzt, der als wichtiges Werkzeug betrachtet wird, um die soziale Gerechtigkeit zu verbessern und Menschen mit geringeren Einkommen zu unterstützen. Nach dem Motto: „Was gut ist fürs Klima, wird günstiger – was schlecht ist, teurer.“
Transformation der Wirtschaft:
Neue Geschäftsmodelle und Technologien sollen einen klimaneutralen Wohlstand und gute Arbeit schaffen. Dies wollen die Koalitionäre durch einen massiven Ausbau erneuerbarer Energien, wettbewerbsfähige Energiepreise, Versorgungssicherheit bei Strom und Wärme sowie schnelle und unbürokratische Genehmigungsverfahren ermöglichen. Im Dialog mit Wirtschaft, Gewerkschaften und Verbänden will die Ampelkoalition eine „Allianz für Transformation“ gründen und in der ersten Jahreshälfte 2022 stabile und verlässliche Rahmenbedingungen für die Transformation besprechen. Dazu wird unter anderem ein Transformationsfonds bei der KfW aufgelegt, Klimaschutzdifferenzverträge werden genutzt, Leuchtturmprojekte gefördert und Anreize für Leitmärkte und für klimaneutrale Produkte geschaffen. Daneben wird ebenfalls das Ziel verfolgt, die kleinen und mittleren Unternehmen bei ihrer klimatechnologischen Transformation zu begleiten und sie zu fördern.
Fazit und Ausblick
Der Koalitionsvertrag bietet eine solide Grundlage, um die Klimavorgaben zu adressieren. Die Umsetzung und Gestaltung der Energiewende hin zu einer nachhaltigen und klimaneutralen Wirtschaft stellt einen wesentlichen Eckpfeiler des Koalitionsvertrages dar. Allerdings wird es am Ende, wie so oft, massiv davon abhängen, wie die konkrete operationelle Ausgestaltung durch die Bundesregierung erfolgt. Wir werden die Ausgestaltung durch den Gesetzgeber im Auge behalten und im weiteren Verlauf des Jahres 2022 über die einzelnen energiewirtschaftlichen Maßnahmen und Aspekte informieren.
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