4. November 2021 von Marcus Peters und Maximilian Morlock
Cloud-Migration – Jetzt mal konkret bitte!
Die Cloud ist im Mindset der Entscheiderinnen und Entscheider angekommen. Daran besteht kein Zweifel. Allerdings tun sich viele Unternehmen schwer damit, eine echte Cloud-Strategie zu entwickeln, die eine Basis für die technologische Evolution darstellt und einer konkreten Transformationsvision folgt. Noch wackeliger wird es bei der Überprüfung der Frage, welche konkreten Schritte denn nach der Entscheidung für die Cloud und einen Cloud-Provider zu tun sind, um die Anwendungen zu überführen. Kein Wunder: Eine Suche im Internet zu Checklisten und Strategien führt zu zigtausend Ergebnissen, die leider meist nur an der Oberfläche bleiben. Wie sollen Entscheiderinnen und Entscheider hier einen wirkungsvollen Einstieg finden?
Dieser Blog-Beitrag soll diese Lücke füllen und konkrete Schritte zum Vorgehen vorstellen.
Die Herausforderung
Der Startpunkt der Überlegungen liegt ganz am Anfang: Die Entscheidung für eine Single- oder Multi-Cloud-Umgebung ist gefallen und nun soll der Anwendungspark in die Cloud wandern. Und da die Entscheidung zur Cloud oft schon etwas länger gedauert hat, will man nun schnell starten. Damit gerät die Organisation schon frühzeitig unter Druck.
Wenn dann auch noch eine Mischung aus Plattform- und Best-of-Breed-Ansätzen Teil der IT-Strategie ist, besteht die Zielumgebung aus verschiedenen Hyperscalern und „Irgendwas-as-a-Service“-Systemen. Also viele Dinge auf der einen Seite müssen in viele Dinge auf der anderen Seite einsortiert werden.
Damit nicht genug, denn die heimische Systemlandschaft liegt in vielen Unternehmen als gewachsenes Umfeld verschiedenster Technologien und Systeme vor.
Damit liegen dann schon mal genügend viele Zutaten einer Projekthavarie auf dem Tisch, wie die erste Abbildung illustriert: Viele unterschiedliche Anwendungen und Systeme müssen sehr schnell in viele unterschiedliche Systeme in der Cloud überführt werden.
Der Lösungsansatz „Cloud Migration Factory“
Um mit derartigen Vorhaben erfolgreich zu sein, sind zwei entscheidende Faktoren zu berücksichtigen: Zum einen muss für jede Anwendung eine belastbare Entscheidung getroffen werden, ob, wohin und wie sie überführt werden soll. Und zum anderen braucht es für eine qualitätsgesteuerte Migration in knapper Zeit einen agilen Fabrik-Ansatz, der praktisch nur durch die Anzahl an Personen beziehungsweise Finanzmittel begrenzt wird.
Die zweite Abbildung zeigt die typischen Arbeitsstationen eines solchen Vorgehens.
In der fachlichen Einordnung wird die Bedeutung der Anwendung für die Organisation bewertet und damit die Migrationsentscheidung getroffen und die Dringlichkeit festgelegt. Als Nächstes wird die Zielumgebung anhand fachlicher und technischer Kriterien festgelegt. Ist dann die Durchführung entschieden, wird die Migration durchgeführt und qualitätsgesichert. Nach erfolgreicher Überführung wird die Applikation in den Betrieb übernommen und steht nach einer Stabilisierungsphase – Veränderungsmanagement samt Training vorausgesetzt – den Usern in der Cloud zur Verfügung.
Fachliche Einordnung und Migrationskonzept
Wie oben dargestellt wird bei diesem Ansatz für jede Anwendung eine fachliche Migrationsentscheidung getroffen, die die Zielumgebung definiert, und eine Priorität festgelegt.
Um dieses Ergebnis herbeizuführen, sind die folgenden Punkte typische Kriterien der Bewertung:
- Je weiter eine Anwendung in ihrem Lebenszyklus steht, desto genauer sollte geprüft werden, ob der Nutzen dem zu erwartenden Migrationsaufwand entspricht. Hierzu ist der Wertbeitrag der Anwendung für den Geschäftsbetrieb ein wichtiges Kriterium.
- Die Bestimmung der Komplexität dient als Indikator für Aufwände der Migrationsarbeiten aufgrund fachlich-technischer Rahmenbedingungen.
- Basiert die Anwendung auf einer Standardlösung beziehungsweise einem Produkt, muss entschieden werden, ob es eine Cloud-Variante samt Migrationspfad am Markt gibt oder in welche der ausgewählten Cloud-Dienste die Anwendung überführt werden soll.
- Handelt es sich bei der Applikation um eine Eigenentwicklung, muss entschieden werden, ob ein Produkt gegebenenfalls besser passt. Alternativ muss entschieden werden, wie die Phasen zur Cloud-Native-Anwendung aussehen sollen beziehungsweise ob einfaches Lift & Shift oder Container ausreichen.
- Zusätzlich werden die Auswirkungen hinsichtlich Sicherheitsanforderungen sowie Preis- und Performance-Elastizität bestimmt: Wie viele Personen und welche Rollen nutzen die Anwendung aktuell und in der Zukunft und welche Datenmengen werden erzeugt.
Um der zeitlichen Anforderung „Schnell in die Cloud“ gerecht zu werden, ist es sinnvoll, ein Kennziffern-Modell zu etablieren, mit dem der Entscheidungsprozess optimiert werden kann. Das Verfahren ermöglicht einen Vergleich der verschiedenen Kennziffern zur Unterstützung des Entscheidungsprozesses. Die dritte Abbildung zeigt ein einfaches Kennziffernmodell, bei dem über ein Punktesystem und drei Kategorien eine Einschätzung zu Aufwänden und Kritikalität vorgenommen werden kann.
Hochfahren der Fabrik
Sind die vorgestellten Arbeitsstationen und Verfahren ähnlich dem oben genannten Ansatz festgelegt, kann die Fabrik angeworfen und nach der für agile Kontexte üblichen Einschwingphase hochgefahren werden.
Hierbei ist eine möglichst genaue Beschreibung der Ergebnistypen der Arbeitsstationen hilfreich für einen reibungslosen Ablauf. So kann zum Beispiel ein zentrales Verzeichnis aller für die Analyse in Frage kommenden Applikationen als Eingangskanal der Analyse dienen und ein „Migration Backlog“ die Liste der analysierten und freigegebenen Anwendungen für die Migrationsdurchführung darstellen.
Ganz nach dem Motto „Frühzeitig das Ende denken“ sind die Aspekte der Qualitätssicherung und Ausnahmenbehandlung in der Fabrik ebenfalls wichtige Schritte, bevor zum Ende die Überführung in den Regelbetrieb vorgenommen wird.
Je nach Situation wandern so tausende Anwendungen oft über Jahre von einem Rechenzentrum in die Cloud. Und da sich die Welt in dieser Zeit weiterdreht, hilft der definierte Fabrikansatz bei der Aussteuerung von Menschen, Material und Durchsatz.
Soll für diese Reise ein Dienstleister her, kann dies in gemischten Teams weitere Vorteile bieten. Skalierungseffekte und Know-how-Transfer sind hier wertvolle Ergebnisse einer Zusammenarbeit. Die vierte Abbildung illustriert die voll ausgefahrene Fabrik und verdeutlicht den genannten Mischbetrieb.
Eingebettet in Elemente der agilen Organisation zur Steuerung des Vorhabens kann der „Cloud Move“ erfolgreich durchgeführt werden.
Fazit
Das Motto „Teile und herrsche“ nimmt auch diesen komplexen Projekten den Schrecken. Durch einen abgestimmten Prozess zur Herbeiführung der Migrationsentscheidung kann recht einfach die Liste der zu migrierenden Anwendungen nachvollziehbar gefüllt werden. Die folgenden Schritte können dann nach nahezu rein technischen Aspekten durchgeführt werden, die in den meisten Fällen nicht das Nadelöhr darstellen. Ein derart aufgeräumtes Projekt kann fix Ergebnisse liefern und so einen schönen gemeinsamen Wertbeitrag durch Fachbereiche und IT verbuchen.
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