Interview

Datenschutzkonforme Gefahrenabwehr durch intelligente KI-Anwendungen

Im Gespräch:


Martin Ritschel
Competence Center Lead - Senior Manager

In welchen Bereichen siehst du aktuell den größten Nutzen von KI im Bereich der Gefahrenabwehr?Welche Rolle spielt hier auch GenAI?


Im Bereich der Gefahrenabwehr bieten Künstliche Intelligenz (KI) und GenAI enorme Potenziale, die in unterschiedlichen Bereichen zur Erhöhung der Sicherheit und Effizienz zum Tragen kommen. Die Einsatzfelder, in denen KI aktuell den größten Nutzen bringt, sind meines Erachtens nach:

  • KI kann durch die Analyse großer Datenmengen Bedrohungen frühzeitig erkennen. In Bereichen wie Terrorismusbekämpfung oder der organisierten Kriminalität können KI-gestützte Systeme, Muster in Kommunikationsnetzen, Finanztransaktionen oder Reisebewegungen identifizieren. Beispielsweise kann KI dabei helfen, verdächtige Aktivitäten oder Anomalien in Datenströmen zu erkennen, die auf geplante Angriffe oder kriminelle Netzwerke hindeuten könnten.

  • Im Bereich der Cybersecurity ist KI ein unverzichtbares Werkzeug geworden, um Bedrohungen wie Cyberangriffe oder Hacking-Versuche zu erkennen und zu verhindern. KI kann in Echtzeit Anomalien im Netzwerkverkehr erkennen und automatisch Abwehrmaßnahmen einleiten. Dies ist besonders wichtig zum Schutz von kritischen Infrastrukturen wie Netzwerke der Sicherheitsbehörden, Energieversorgungsnetzen, Wasserwerken oder Finanzsysteme.

  • KI kann realistische Trainingsumgebungen für Einsatzkräfte simulieren, um sie auf komplexe Bedrohungsszenarien vorzubereiten. Virtuelle Realität (VR), Augmented Reality (AR) und KI-gestützte Simulationen können verwendet werden, um etwa die Reaktion auf Geiselnahmen, Terroranschläge oder Naturkatastrophen zu üben und das Verhalten der Einsatzkräfte zu optimieren.

  • VR-Technologien bilden Tatorte realistisch und detailgetreu nach, sodass Ermittler:innen und Gutachter:innen in einem dreidimensionalen virtuellen Raum agieren können. Anstatt sich auf 2D-Fotos oder schriftliche Berichte zu verlassen, können sie sich direkt in die virtuelle Umgebung des Tatorts begeben, um wichtige Details zu analysieren und Abläufe zu rekonstruieren. Das verbessert das Verständnis von Tatgeschehen und kann dazu beitragen, Lücken in der Beweisführung zu schließen. Richter:innen, Staatsanwält:innen, Gutachter:innen und Rechtsanwält:innen können durch die VR-Technologien eine virtuelle Tatortbegehung machen.

Diese Bereiche zeigen, dass KI besonders in der präventiven Gefahrenabwehr, Cyberabwehr sowie der Simulationen und Trainingsumgebungen einen wesentlichen Beitrag zur Erhöhung der Sicherheit und Effizienz leisten kann. Dennoch ist es wichtig, ethische und rechtliche Rahmenbedingungen zu beachten, um Missbrauch und Fehlanwendungen zu verhindern.

Es gibt aber auch Bereiche, die kritisch hinterfragt werden müssen, ob sie mit unseren Grundgesetzten und ethischen Grundsätzen in Einklang zu bringen sind. So halte ich z.B. die „Analyse und Verarbeitung von Social-Media-Daten“ oder die „Überwachung und Analyse in Echtzeit in öffentlichen Raum“ für kritisch. Sie sollte immer im Einzelfall geprüft und bewertet werden. KI kann große Mengen an Videomaterial aus Überwachungskameras in Echtzeit analysieren und ungewöhnliches Verhalten erkennen. Dies wird in Flughäfen und Bahnhöfen schon eingesetzt, da dies zur Gefahrenabwehr, die in diesen Fällen höher bewertet wird als das Grundrecht der informationellen Selbstbestimmung, erforderlich ist.

Generative KI erweitert die bestehenden Fähigkeiten von KI um neue kreative und adaptive Möglichkeiten. GenAI kann nicht nur bestehende Daten analysieren und verarbeiten, sondern auch neue Szenarien und Lösungen generieren, die es bislang noch nicht gab. Diese Fähigkeit, aus Mustern neue Bedrohungsbilder oder Lösungen zu erschaffen, macht GenAI zu einem mächtigen Werkzeug in der Gefahrenabwehr.

Durch die Kombination von klassischer KI undGenAI lassen sich sowohl präventive als auch reaktive Maßnahmen weiter verbessern, was die Effizienz, Schnelligkeit und Treffsicherheit in der Reaktion auf Bedrohungen erheblich steigern kann.


Welche Maßnahmen müssen getroffen werden, um sicherzustellen, dass KI-Anwendungen im Bereich der Gefahrenabwehr den rechtlichen und ethischen Vorgaben entsprechen?Welchen Einfluss hat dabei die neue EU-Vorgabe (EU AI Act)?


Um sicherzustellen, dass KI-Anwendungen im Bereich der Gefahrenabwehr den rechtlichen und ethischen Vorgaben entsprechen, müssen zahlreiche Maßnahmen auf technologischer, rechtlicher und organisatorischer Ebene ergriffen werden. Der EU AI Act, die neue Verordnung der Europäischen Union zur Regulierung von Künstlicher Intelligenz, spielt dabei eine zentrale Rolle, da sie klare Rahmenbedingungen schafft und Einfluss auf den Einsatz von KI in sicherheitskritischen Bereichen nimmt.

Der AI Act teilt Künstliche Intelligenz in drei Risikoklassen ein: „Unannehmbares Risiko“, „Hohes Risiko“ und „Geringes oder minimales Risiko“. Diese Risikoklassifizierung des AI Acts stellt sicher, dass der Einsatz von KI proportional zu den potenziellen Gefahren und Auswirkungen reguliert wird. Hochrisikoanwendungen, wie jene im Bereich der Gefahrenabwehr, unterliegen besonderen Anforderungen, um sicherzustellen, dass sie verantwortungsvoll genutzt werden und die Grundrechte der Bürger:innen geschützt bleiben. Gleichzeitig wird Innovation gefördert, indem weniger risikoreiche Anwendungen nicht unnötig reguliert werden.

Der EU AI Act hat einen erheblichen Einfluss auf die Entwicklung und den Einsatz von KI. Zu den zentralen Vorgaben gehören:

  • Strenge Anforderungen an Transparenz und Nachvollziehbarkeit:
    Systeme müssen erklärbar sein, und ihre Entscheidungswege müssen offengelegt werden.
  • Risikobasierter Ansatz:
    Hochrisikoreiche Anwendungen wie die in der Gefahrenabwehr unterliegen strikteren Regeln und Prüfungen, bevor sie eingesetzt werden dürfen.
  • Regelmäßige Audits und Überprüfungen:
    Der Act verlangt kontinuierliche Überwachung und die Fähigkeit zur Überprüfung und Modifikation der Systeme.
  • Verantwortung der Entwickler und Betreiber:
    Hersteller und Anwender:innen von KI-Systemen müssen sicherstellen, dass die Systeme während ihres gesamten Lebenszyklus sicher, transparent und ethisch verantwortungsvoll agieren.

Insgesamt schafft der EU AI Act den rechtlichen Rahmen, um sicherzustellen, dass KI-Anwendungen in der Gefahrenabwehr sicher, ethisch und rechtlich vertretbar eingesetzt werden, während er gleichzeitig Innovation und den Fortschritt dieser Technologien fördert.



Wie könnte die Zukunft der datenschutzkonformen Gefahrenabwehr durch KI aussehen?


Die Zukunft der datenschutzkonformen Gefahrenabwehr durch Künstliche Intelligenz wird ein Balanceakt, der die technischen Innovationen, die Anforderungen der Sicherheitsbehörden mit den rechtlichen und ethischen Rahmenbedingungen in Einklang bringen muss. Der EU AI Act und ähnliche regulatorische Maßnahmen werden den Rahmen für die verantwortungsvolle Entwicklung und den Einsatz von KI im Sicherheitsbereich definieren. Dies stellt sicher, dass der Schutz der Bürgerrechte und die Gefahrenabwehr gleichermaßen gewährleistet sind und dass KI-Anwendungen nur im Einklang mit den Grundrechten der Bürger:innen und den Gesetzen eingesetzt werden.

Um eine datenschutzkonformen KI zu entwickeln, werden verschiedene Techniken zum Einsatz kommen. Ich greife mal zwei heraus, die meines Erachtens eine wichtige Rolle dabei spielen werden.

Zukünftige KI-Systeme werden auf den Grundsätzen von Privacy by Design und Privacy by Default basieren. Das bedeutet, dass der Datenschutz bereits in der Entwicklungsphase von KI-Technologien fest verankert sein wird. Auch werden Anonymisierungs- und Pseudonymisierungstechniken zum Einsatz kommen, wodurch KI-Systeme sicherheitsrelevante Informationen verarbeiten können, ohne dass die Identität der betroffenen Personen offengelegt wird.

Der Mensch wird immer die zentrale Schlüsselposition sein, zukünftige KI-Systeme werden als Werkzeug den Menschen unterstützen und Hilfestellung geben, aber Entscheidungen – insbesondere kritische Entscheidungen – werden weiterhin von Menschen getroffen werden.



Vielen Dank, Martin!

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