STEADY setzt auf ein umfangreiches Set an Komponenten, das dazu dient, den Betroffenen – und auf Wunsch ihren Therapeuten – einen detaillierten und aussagekräftigen Einblick in seine Situation zu ermöglichen. Ob Ortsdaten, Bewegungsdaten, Schlafdaten, soziale Aktivitäten oder Sprachmuster: Innerhalb dieser Daten gilt es nun, individuelle Auffälligkeiten zu finden, die auf eine depressive Phase hinweisen. Dabei ist es Professor Hegerl wichtig zu betonen, dass sich eine depressive Phase bei jedem Menschen anders ankündigen und auch auswirken kann. Dementsprechend wird die Entwicklung jedes einzelnen Patienten mit seinen eigenen Vergangenheitsdaten verglichen. Ziel ist es, so eine Reihe individueller Indikatoren zu identifizieren.
An der Schnittstelle zwischen dem System und den Betroffenen arbeitet das STEADY-Team mit einer intuitiv zu bedienenden Smartphone-App. Für die Entwicklung dieser Anwendung setzen die Verantwortlichen auf die Fachleute von adesso mobile solutions. Die App, die die Mobile-Experten aktuell entwickeln, dient einerseits dazu, die gesammelten Informationen attraktiv und leicht verständlich aufzubereiten. Andererseits unterstützt sie die Nutzer mit einem geführten Fragebogen bei der Bewertung ihrer eigenen Situation. Diese Selbsteinschätzung ist ein wichtiger Baustein innerhalb von STEADY. Sie hilft dem System dabei, die gesammelten Daten vor dem Hintergrund des individuellen Befindens zu analysieren. Dabei legten die Mobile-Experten Wert darauf ein System zu designen, das auch weniger technikaffine Nutzer problemlos bedienen können.
Genauso wichtig wie die Schnittstelle in Richtung der Betroffenen ist die Infrastruktur im Hintergrund, die das System zusammenhält. Für das Entwickeln dieser Infrastruktur setzt das STEADY-Team auf die adesso-Experten. Gemeinsam entwickeln sie ein Fundament, das mit einer Vielzahl von Geräten und Anforderungen umgehen kann. Denn die Grundidee des Projektes – das Messen von relevanten Parametern im privaten Umfeld über einen langen Zeitraum – lässt sich nur realisieren, wenn die technischen Grundlagen des Systems unter allen Umständen reibungslos funktionieren. „Wenn wir Menschen über Monate, Jahre oder vielleicht sogar ein Leben lang mit STEADY begleiten wollen, muss unser System auf dem heimischen Balkon genauso gut messen und funktionieren wie im Urlaub, muss es mit schlechten Datenverbindungen ebenso umgehen können wie mit dem Ausfall von einzelnen Komponenten“, erläutert Professorin Ivanova. Darüber hinaus setzten sich die IT-Experten insbesondere mit dem Datenschutz auseinander. Die Daten auf dem Smartphone, die Übertragung auf die Systeme im Hintergrund und die Weiterverarbeitung dort müssen natürlich allen Sicherheitsanforderungen genügen, die dieses sensible Thema mit sich bringt. Entsprechend sicher müssen die Kommunikationsprotokolle und die Backend-Infrastruktur sein. So wird unter anderem sichergestellt, dass die Zugriffsrechte, die der Nutzer sehr kleinteilig einrichten kann, auch entsprechend im System abgebildet werden können.
Der Anfang ist gemacht
Im Herbst 2017 hat STEADY mit dem ersten praktischen Anwendungstest begonnen. Im Laufe des Projekts sollen 20 Patienten – begleitet vom Team der Stiftung Deutsche Depressionshilfe – den aktuellen Stand der Hard- und Software in ihrem Alltag einsetzen. Für die Teams um Professorin Ivanova und Professor Hegerl geht es jetzt darum, für die nächsten Monate Messdaten zu sammeln und auszuwerten. Diese Daten sind dann die Grundlage für die Entwicklung der Algorithmen, die in der nächsten Stufe des Projektes – voraussichtlich ab Sommer 2018 – von den Experten auf Herz und Nieren getestet werden. Unter anderem setzen sie dabei auf Machine-Learning-Technologien die dabei helfen, Zusammenhänge in den Trainingsdatensätzen zu deuten. Wenn sich die Selbsteinschätzung der Nutzer verschlechtert, „schaut“ das System zurück und versucht, Muster zu erkennen und Kenngrößen zu suchen, mit welchen solche Stimmungsverschlechterungen vorhergesagt werden können. Erst nach dieser Phase können die Beteiligten entscheiden, ob der Demonstrator die Erwartungen erfüllt und die Weiterentwicklung in Richtung eines Prototypen und dann gegebenenfalls eines Produktes sinnvoll ist.
Während STEADY jetzt also gerade in seine erste Bewährungsphase in die Praxis geht, denkt Professor Ivanova bereits über andere Einsatzszenarien nach: „Wenn Sensorik, Plattform und Technologie stehen, wenn die Algorithmen ihre Leistungsfähigkeit unter Beweis gestellt haben, können wir das STEADY-Konzept auch auf andere Krankheitsbilder übertragen.“ Denkbar ist beispielsweise der Einsatz im Umfeld anderer psychischer oder kardiovaskulärer Erkrankungen. Oder bei der Unterstützung von Rehabilitationsmaßnahmen. So kann es ein STEADY-ähnliches System gerade älteren Patienten oder Bewohnern ländlicher Gebiete erlauben, zumindest Teile der Maßnahmen in ihrer häuslichen Umgebung wahrzunehmen.
Sensoren, Wearables, mobile Anwendungen, Algorithmen, IT-Infrastrukturen und eine Menge Expertenwissen: Das sind die Komponenten, aus denen die Digitale Transformation besteht. Und das sind auch die Komponenten, aus denen Professor Hegerl und Professorin Ivanova gemeinsam mit ihrem interdisziplinären Team an der Stiftung Deutsche Depressionshilfe und am InfAI einen neuen Ansatz aufbauen, um Menschen mit Depressionen zu helfen. Ein Ansatz, der die Lebensqualität vieler Betroffener verbessern könnte.