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Stillstehende Maschinen und teure Service- und Technikereinsätze sind der Albtraum der industriellen Produktion.

Doch tatsächlich gibt es Möglichkeiten, diesem Schreckensszenario zu begegnen: Eine vorausschauende Wartung (Predictive Maintenance) kann die Stillstandzeiten von Maschinen und die damit verbundenen Serviceeinsätze reduzieren. Moderne Maschinen bieten allerhand Sensoren zur Zustandserkennung, alte Maschinen können über Retrofit-Sensorik nachgerüstet werden. Diese Sensoren werden über Standardschnittstellen ausgelesen, die es wiederum neuartigen Algorithmen und Künstlicher Intelligenz (KI) ermöglichen, sich anbahnende Fehler zu erkennen und so eine vorausschauende Wartung im Sinne von Predictive Maintenance vorzuschlagen.

Dieser Blog-Beitrag markiert den Startpunkt für eine kleine Serie, in der ich euch das Thema Predictive Maintenance und Retrofit-Sensorik näherbringen möchte.

Was ist Predictive Maintenance?

In der industriellen Produktion oder bei Maschinen im Kundeneinsatz ist die Verfügbarkeit essentiell. Es gilt, ungeplante Stillstandzeiten möglichst zu reduzieren oder am besten ganz zu vermeiden. Früh haben sich fixe Wartungspläne, basierend auf Erfahrungen oder statischen Modellen, für besonders kritische Bauteile etabliert. Diese statischen Modelle lassen sich jedoch oft nur schwer auf die Praxis übertragen, da sie beispielsweise Annahmen über Betriebszeiten und Belastungen treffen, die im konkreten Fall nicht zutreffen. Darüber hinaus stellen dynamische Umgebungen, in denen sich die Parameter ständig ändern, eine Herausforderung für statische Modelle und fixe Instandhaltungspläne dar.

Wartungsarbeiten und Stillstände verursachen Kosten, daher möchte man sie möglichst zielgenau steuern und planen. Daraus ergeben sich interessante Szenarien:

  • Ist das Bauteil schon end-of-life und die Wartung überhaupt notwendig?
  • Welche anderen Bauteile sollten zusätzlich gewartet oder getauscht werden, um einen weiteren kostspieligen Technikereinsatz zu vermeiden? Dies ist besonders für Full-Service-Wartungsverträge relevant.

Oder aus dem Blickwinkel der Wartungsleitung:

  • Wie werden die Einsätze der Technikerinnen und Techniker möglichst optimal geplant?
  • Welche Ersatzteile sollte das technische Personal mitnehmen und welche müssen bestellt werden?
  • Welche anderen Bauteile werden häufig zusammen oder kurz nach der Wartung des ursprünglichen Bauteils getauscht/repariert?

Mit Hilfe moderner, vernetzter Sensorik können wichtige Zustandsparameter der Maschinen in Echtzeit überwacht werden (Condition Monitoring). In diesem Zusammenhang spricht man auch oft von einem digitalen Zwilling oder digitalen Schatten. Mit Hilfe von Methoden der Data Science, wie KI oder maschinellem Lernen, können Systeme entwickelt werden, die (semi-)autonom und proaktiv Wartungen empfehlen. Letzteres heißt dann in der Fachsprache Predictive Maintenance. Durch Predictive Maintenance werden kritische Komponenten zum optimalen Zeitpunkt gewartet oder getauscht. Wenn eine Technikerin oder ein Techniker zum Einsatz kommt, werden weitere Bauteile zusätzlich gewartet oder getauscht, um so weitere kostspielige Einsätze zu vermeiden.

Um ein gutes Vorhersagemodell zu entwickeln, werden ausreichend Betriebsdaten von Fehlerfällen benötigt. Oft liegen diese jedoch nicht digital und strukturiert vor. Das ist dann der Fall, wenn bisher keine Daten digital erhoben wurden oder diese nur unzureichend als Fehlerfall klassifiziert wurden. Ein möglicher Ansatz, trotzdem Predictive Maintenance einzusetzen, ist die sogenannte Anomalieerkennung. Diese setzt die Erkennung von Fehlverhalten als Abweichung vom Regelfall um, mit dem Ziel, dieses Fehlverhalten frühzeitig zu erkennen und geeignete Maßnahmen wie eine Wartung einzuleiten.

Im Folgenden habe ich die häufigsten Gründe, warum ihr Predictive Maintenance einsetzen solltet, zusammengefasst:

Predictive Maintenance in der Produktion und Fertigung

Ein Beispiel: Ihr möchtet in der eigenen Produktion Daten erfassen und auswerten, zum Beispiel um

  • eine gleichbleibende Produktqualität zu gewährleisten,
  • die Ausschlussquote zu reduzieren,
  • den Einsatz von Material und Ressourcen zu optimieren,
  • eure Instandhaltung proaktiv und bedarfsgerecht zu gestalten und
  • ungeplante Stillstandzeiten zu vermeiden.

Mögliche Datenquellen sind beispielsweise

  • Prozessleitsysteme,
  • Maschinen- und Steuerungs-Schnittstellen (OPC UA, Modbus, Ethernet etc.) oder
  • externe Sensorik (Vibration, Akustik, Temperatur etc.).

Predictive Maintenance an Produkten und Maschinen

Ein Beispiel: Ihr möchtet als zusätzlichen, kostenpflichten digitalen Service die Datenerhebung und Auswertung anbieten, um

  • attraktive Full-Service-Angebote anbieten zu können,
  • proaktiv den Verkauf von Ersatzteilen und Services anzubieten,
  • eine höhere Verfügbarkeit für eure Kunden zu gewährleisten,
  • eure Kunden auch mit Betriebs- und Prozess-Know-how zu unterstützen und
  • euch durch Mehrwerte vom Wettbewerb abzusetzen.

Mögliche Datenquellen sind beispielsweise

  • Maschinensteuerung,
  • externe Sensorik (Vibration, Akustik, Temperatur etc.) oder
  • Service- und Instandhaltungsdaten.

Ein typischer Analyseablauf in Predictive-Maintenance-Systemen

Ist ein Predictive-Maintenance-System einmal aufgesetzt, ist der Ablauf immer ein ähnlicher: Zuerst werden die Daten in einem zentralen System, wie in unserer adesso IoT Cloud, gesammelt. Mögliche Quellen sind, wie oben beschrieben, Maschinendaten, das Service-System, Prozessleitsysteme oder eine zusätzliche Sensorik. Gerade eine Retrofit-Lösung ist besonders charmant, um bestehende Maschinen kosteneffizient zu digitalisieren, ist mit ihr doch bereits eine Echtzeitüberwachung möglich.

Diese gesammelten Daten müssen entsprechend analysiert werden, so dass das Predictive-Maintenance-System Muster erkennen und ein Modell bilden kann, über das der Zustand der Maschine abgeleitet werden kann und so Wartungsempfehlungen gegeben werden können. Ein gutes und detailliertes Modell ist hier entscheidend für die Qualität des Gesamtsystems.

Beispielhafter Predictive Maintenance Flow im Kontext eures Unternehmens

Viele Kunden fragen uns, wie sich der Predictive Maintenance Flow in ihrem Unternehmen abbilden lässt und ob neben den Sensordaten noch weitere Datenquellen relevant sind. Weitere Datenquellen bieten einen immensen Mehrwert und sollten auf jeden Fall berücksichtigt werden. In eurem Unternehmen könnte die Datenpipeline wie folgt aussehen:

Auf der linken Seite befinden sich die Datenquellen. Hier unterscheiden wir häufig zwischen statischen Stammdaten und historischen beziehungsweise Live-Daten. Die statischen Stammdaten stammen aus den Umsystemen wie SAP und enthalten unter anderem die Assetbeschreibungen und Wartungshistorie der Maschinen. Gerade in diesen Datensätzen können sich wertvolle Informationen verbergen. Vielleicht hatte die betrachtete Maschine in der Vergangenheit mehrmals bestimmte Störungen oder wurde bereits häufig repariert, so dass sich von diesen Daten auch zukünftige Probleme ableiten lassen?

Zusätzlich müssen die Live-Daten aus dem Condition Monitoring der Maschinen betrachtet werden.

Wichtig ist, dass wir alle Daten analysierbar machen – dazu bauen unsere Fachleute häufig einen sogenannten Data Lake auf. In diesem See aus Daten sammeln sich alle möglichen Daten, oft unstrukturiert und dadurch nicht schon im Vorhinein in ein enges Korsett gesteckt. Auf diesem Data Lake arbeiten dann die Data Scientists – unter anderem unter Zuhilfenahme von Frameworks und Werkzeugen wie R oder Python.

Die Ergebnisse der Datenanalyse werden verständlich aufbereitet und in der Visualisierungsschicht (ganz rechts im Bild) dargestellt. Das passiert zum Beispiel in Form von Wartungsempfehlungen im Service-Dashboard oder in kritischen Fällen auch als Push-Nachricht auf dem Mobiltelefon der Servicetechnikerinnen und -techniker. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, mit Hilfe von Standardwerkzeugen wie PowerBI oder Tableau den Mitarbeitenden im Sinne eines Self-Service die Möglichkeit zu geben, eigene Analysen und Darstellungen zu entwickeln.

Warum kann Data Science mit realen Maschinendaten schwierig sein?

Doch wenn alles so einfach klingt, warum gibt es dann keine Standardlösungen für Predictive Maintenance? So rosig die Versprechungen sind, es gibt einige Fallstricke, die unbedingt beachtet werden sollten.

Im besten Fall dauert es lange, bis eine Maschine kaputt geht, aber Data Scientists stellt gerade das vor eine große Herausforderung. Fehlerzustände sind im Vergleich selten und ihre Menge ist nicht umfassend bekannt, wodurch klassische Ansätze der Klassifikation nicht effizient arbeiten können beziehungsweise eine starke Reduktion der Trainingsdaten erfordern.

Eine weitere Herausforderung bei der Analyse von realen Maschinendaten sind kleine Unterschiede zwischen den einzelnen Anlagen oder Anlagentypen. Oft ist es jedoch nicht wirtschaftlich, für alle Möglichkeiten einzelne Lösungen zu entwickeln, sondern sinnvoller, ein allgemeines Modell bereitzustellen, das nicht für jedes Produkt angepasst werden muss. Dieses Modell kann zur Anwendungszeit weiter optimiert werden. Hieraus ergeben sich vielschichtige Herausforderungen bei der Entwicklung einer Methodik zur Erkennung und Identifizierung von Fehlerzuständen der Maschinen.

Schlussendlich muss Predictive Maintenance immer als Erweiterung des bestehenden Service gesehen werden und in Einklang mit den bereits existierenden Strukturen gebracht werden. Wichtig ist, dass Predictive Maintenance nie bestehende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ersetzen soll, sondern Hilfestellungen zur Verfügbarkeit und Optimierung der Produktion gibt.

Gerne unterstützen wir euch bei eurem Vorhaben. Sprecht uns gerne an.

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Bild Olaf Neugebauer

Autor Dr. Olaf Neugebauer

Dr. Olaf Neugebauer ist seit vielen Jahren im Bereich der cyber-physikalischen Systemen, Compiler und Compiler-basierte Optimierungsverfahren aktiv. In den letzten Jahren hat er sich stärker auf IoT und die damit verbundenen Themen fokussiert. Als Leiter des Competence Center IoT betreut er bei adesso alle Themen um Maschinendatenerfassung und deren Auswertung.

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