10. Februar 2025 von Dr. Janosch Kunczik
Was ist eine Videosprechstunde und warum brauche ich sie?
Die medizinische Seite
Besuche beim Arzt oder der Ärztin sind häufig eine Herausforderung, vor allem wenn man krank, oder nicht mobil ist. Laut Ärztemonitor 2014 haben Hausärzte im Schnitt ungefähr 7,5 Minuten Zeit pro Patientin beziehungsweise Patient. Ein Hausbesuch ist damit nur schwer möglich, vor allem in ländlichen Gebieten. Videosprechstunden stellen häufig eine Lösung für dieses Problem dar, nicht zuletzt dank der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) und eRezepten. Sind ein persönliches Videogespräch und die sichere Übertragung von Dokumenten nicht ausreichend, können Assistenzen (VERAH oder NäPa) Hausbesuche mit telemedizinischer Unterstützung durchführen, um notwendige Befunde zu erheben oder Therapien durchzuführen. Auch können Ärztinnen und Ärzte über telemedizinische Konsile Unterstützung von Fachleuten erhalten. Solche erweiterte Telemedizinlösungen bauen ebenfalls auf Videosprechstundensystemen auf. Patientinnen und Patienten kann so häufig der Weg zur Praxis erspart werden, während ärztliche Verfügbarkeit nicht durch Fahrzeiten reduziert wird.
Die finanzielle Seite
Videosprechstunden werden maßgeblich über das EBM-Vergütungssystem mit den gesetzlichen Krankenversicherungen abgerechnet. Während ein Telefongespräch hier nur mit der Ziffer 01435 (ca. 10,5 €) berechnet werden kann, darf mit einer Videosprechstunde sogar die Versicherten-, bzw. Grundpauschale (ca. 30€/Quartal) und ca. 15€ pro 10 Minuten Gesprächszeit abgerechnet werden. Eine genaue Vergütungsübersicht wird von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) zur Verfügung gestellt. Weitere Vergütungsmodelle gibt es zum Beispiel im Rahmen der HZV-Verträge (jeweils in Anlage 3, vor allem beim Einsatz telemedizinischer Versorgungsassistentinnen). Auch bei Privatpatientinnen und -Patienten können Videosprechstunden über die Gebührenordnung für Ärzte (GoÄ) abgerechnet werden. Die Bundesärztekammer hat dafür eine Empfehlungsliste herausgegeben, wobei anzumerken ist, dass anders als bei der kassenärztlichen Versorgung keine Anforderungen an die Telemedizinlösungen gestellt werden.
Die regulatorische Seite
Damit Videosprechstunden kassenärztlich abgerechnet werden dürfen, müssen sie mit zertifizierten Systemen durchgeführt werden. Ursprung dafür ist ein Paragraf im 5. Sozialgesetzbuch (§ 365 SGB V), welcher von den verschiedenen Akteuren auf Leistungserbringer- und Kostenträgerseite eine gemeinsame technische Lösung fordert. Die daraus resultierenden Anforderungen sind in Anlage 31b des Bundesmantelvertrags-Ärzte der KBV festgehalten und müssen für jede Videosprechstundenlösung durch eine unabhängige, akkreditierte Stelle validiert werden. Gefordert ist dabei jeweils ein Zertifikat über die Erfüllung der Informationstechniksicherheit und des Datenschutzes. Die KBV pflegt eine Liste aller zertifizierten Videosprechstundenanbieter.
Im Rahmen des Datenschutzaudits müssen die Anbieter von Videosprechstunden genau darlegen welche personenbezogenen Daten aufgrund welcher Rechtsgrundlage (Art. 6 DGSVO) verarbeitet werden, wie den Betroffenenrechten (Kap. 3 DSGVO) entsprochen wird und wie nicht mehr benötigte Daten gelöscht werden. Da es sich bei medizinischen Daten um eine besondere Kategorie personenbezogener Daten (Art. 9 DSGVO) handelt, muss über eine Datenschutzfolgenabschätzung (Art. 35 DSGVO) belegt werden, dass geeignete technische- und organisatorische Maßnahmen ergriffen werden, um das Risiko für Betroffene auf ein akzeptables Niveau zu senken.
Leistungserbringer
Ambulante und stationäre Versorgung, Verbände, Institute & Software-Provider
Die Kunden unseres Bereiches Leistungserbringer erstrecken sich von Software-Providern für die leistungserbringenden Organisationen über Abrechnungszentren, Apotheken, Institute und Körperschaften öffentlichen Rechts bis zu Kliniken und Ärzteorganisationen wie den kassenärztlichen Vereinigungen. Für diese und weitere Bereiche bündeln wir unsere fachliche und regulatorische Kompetenz, gepaart mit Expertise zu den passenden Technologien und interoperablen Standards. So entsteht unser breites und exzellentes Leistungsangebot.
Die technische Seite
In ihrem Mindestumfang erlauben Videosprechstunden ein sicheres Videogespräch zwischen Arzt oder Ärztin und ihren Patientinnen und Patienten. Dabei müssen Patientinnen und Patienten den Dienst ohne Registrierung, oder die Installation einer Software nutzen können. Zur Sicherstellung einer ausreichenden IT-Sicherheit wird gefordert, dass die Datenkommunikation direkt zwischen den Teilnehmenden der Sprechstunde ohne einen zentralen Server "Peer-to-Peer" abläuft und nach dem Stand der Technik entsprechend der BSI-Vorgaben verschlüsselt wird. Die Audio- und Videoverbindung muss adaptiv zur verfügbaren Bandbreite sein. Von den Anbietern dürfen keine Inhalte der Sprechstunden eingesehen werden können und auch Metadaten dürfen nur für technische Zwecke maximal drei Monate verarbeitet werden. Das Schalten von Werbung ist verboten. Außerdem muss durch vom BSI gelisteten IT-Sicherheitsdienstleister durchgeführte Penetrationstests regelmäßig validiert werden, dass die Videosprechstunde keine schwerwiegenden Sicherheitsrisiken (OWASP Top 10) aufweist.
In der Praxis werden diese Anforderungen meist durch die folgenden Systemspezifikation umgesetzt:
- Bereitstellung der Videosprechstundenlösung in Form einer Web-App. Zusätzliche native Apps können zusätzlich bereitgestellt werden, erfüllen allein aber nicht die Anforderungen nach einer installationsfreien Nutzung.
- Temporäre Patientenzugänge in Form von alphanumerischen TANs oder Einmalpasswörtern.
- Datenaustausch zwischen den Teilnehmenden über WebRTC-basierte, Ende-zu-Ende verschlüsselte und direkt zwischen den Teilnehmern verhandelten Kommunikationskanäle, ohne Verwendung eines zentralen Videoservers. STUN- und TURN-Server sind zulässig, wenn die Teilnehmer bei ihrer Nutzung eine entsprechende Warnung angezeigt bekommen.
Warum gehört die Videosprechstunde abgelöst?
Videosprechstunden sind in ihrem Funktionsumfang sehr eingeschränkt. Während ein reines Gespräch zwar für viele medizinische Fragestellung ausreicht, wird in den meisten Fällen mehr gebraucht. So müssen beispielsweise medizinische Bilddaten, oder Vitalparameter in Echtzeit geteilt werden und verschiedene Medizin-IT Systeme miteinander vernetzt werden. Dieses weit verbreitete Problem in der Telemedizin wird von jedem Hersteller auf eigene Weise angegangen. Diese Aufwandstreiber machen Telemedizin-Systeme nicht nur teurer, weil jeder Anbieter seine eigene Lösung entwickeln muss, sondern verhindern auch, dass sie umfassend miteinander kompatibel und vernetzt werden können. Deswegen ist eine bessere Basis für Telemedizin notwendig.
Fazit
Videosprechstunden stellen heute die Basis für viele telemedizinische Anwendungen in Deutschland dar, weil ihre Sicherheit und Datenschutzkonformität anhand eines festgelegten Verfahrens geprüft werden kann und ihre Abrechenbarkeit fest geregelt ist. Auch für Anwendungen, bei denen die Patientinnen und Patienten nicht im Fokus stehen, setzen deswegen oft auf Videosprechstunden als Kommunikationsbasis. In Praxen, medizinischen Versorgungszentren und dem kassenärztlichen Notdienst bieten Videosprechstunden viele Potenziale für Patientinnen und Patienten und das ärztliche Personal. Falls ihr auch eine Videosprechstunde einführen, oder euren Kunden anbieten wollt, aber noch nicht genau wisst wie, helfen wir euch gerne.
Wenn ihr erfahren möchtet, wie die Zukunft der Telemedizin aussieht und warum sie bereits heute die Grundlage eurer Arbeit und Produkte sein kann und sollte, dann lest gerne meinen nächsten Beitrag zum TI-Messenger.