6. Juli 2021 von Jan Jungnitsch
Versicherer traut euch KI RICHTIG einzusetzen – gebt den Mitarbeitenden die Kompetenz!
Eine kleine Geschichte der Gegenwart
Die Märkte allgemein stehen bereits mitten in der fünften Revolution – der Digitalisierung. Und wie bereits in den vorhergehenden Epochen, wie dem Zeitalter der Dampf- und Eisenbahnen, der Stahlerzeugung und des Ölzeitalters, entscheidet sich am Wendepunkt, wer in der nachfolgenden „Erntezeit“ dabei ist und wer die Verwandlung nicht schafft.
Veränderungen mit einem disruptiven Charakter haben dabei sehr stark zugenommen. Märkte, Produkte, Vertriebswege und die Art, wie Produkte entstehen, unterliegen ständigen Veränderungen. Dies hat einen entscheidenden Einfluss auf Konsumenten. Unterlagen Konsumenten bisher einer gewissen Treue zu Produkten, so löst sich dieses Verhalten zunehmend auf.
Welche Antworten kann es auf diese Herausforderung geben?
KI-basierte Systeme werden als wesentlicher Werttreiber in dieser Phase angesehen. Doch der einfache Einsatz löst noch nicht die Herausforderungen, vor denen Versicherer stehen. Ich möchte, ein paar Aspekte und einen möglichen Zugang zu den Problemlösungen in diesem Blog-Beitrag aufzeigen.
Werfen wir einen Blick, wenn auch zugegeben, etwas stereotypisch, auf DEN Versicherer
Die Organisation ist geprägt durch die Trennung nach ihren funktionalen Aufgaben und nach ihren Sparten. Die Finanzbuchhaltung kümmert sich um die Steuerung der Finanzströme, der Vertrieb sorgt dafür, dass die Vertriebsziele erreicht werden, die Produktverantwortlichen entwickeln mit dem Marketing neue Produkte mit denen Kundenbedarfe gedeckt werden. Und zu guter Letzt bietet die IT-Abteilung die notwendigen IT-Systeme und -Infrastruktur.
Innerhalb dieser Strukturen werden nun KI-basierte Projekte umgesetzt. Dabei kommen in der Regel „agile“ Vorgehensmodelle zum Einsatz, in denen Projektphasen iterativ durchlaufen und verfeinert werden. Projektziele können so kontinuierlich geprüft und gemessen werden. Ähnlich wie in der Anwendungsentwicklung werden Features in einem Backlog priorisiert und in Sprints umgesetzt. Das von mir beschriebene Vorgehen bezieht sich auf den Kontext von vielleicht einem oder mehreren Projekten. Die grundsätzlichen Unternehmensprozesse und -prinzipien bleiben dabei in der Regel unberührt. Hinzu kommt die Operationalisierung des Systems, das nach der Projektphase an den IT-Betrieb übergeben wird, die technische Verantwortung wird somit weitergegeben. Wissen geht verloren und notwendige Anpassungen sowie das Justieren der Modelle wird dadurch nicht gefördert.
Ich möchte nicht falsch verstanden werden. Natürlich ist es häufig sinnvoll, innerhalb dieser bestehenden Strukturen Projekte mit KI-basierten Technologien umzusetzen. Der Gewinn durch den Einsatz von KI bleibt in der Wertschöpfung jedoch weit hinter seinen Möglichkeiten.
Vielmehr ist der ganzheitliche Blick auf die Problemstellung von entscheidender Bedeutung. Darüber hinaus sollte der Bruch zwischen Projekt und Betrieb aufgehoben werden.
Dies gelingt dem Versicherer, indem er seine Prozesse entlang der Wertströme zum Kunden ausrichtet. Erst durch die Kundenzentriertheit gewinnen Digitalisierungsvorhaben, zu denen die Einführung KI-basierter Systeme zuzuordnen ist, an Fahrt. Es wird erkennbare Veränderungen in der Priorisierung der Backlogs geben, da der Business Value, deren elementarer Bestandteil den Kundennutzen darstellt, mehr in den Fokus rückt. Durch diesen Perspektivenwechsel verändern Mitarbeitende und ihre Organisation den Blickwinkel und stecken schon mitten im Change-Prozess.
Folgendes Szenario
Nehmen wir die Einführung einer KI zur Churnprediction als Beispiel und was im Folgenden passiert, wenn die kundenzentrierte Sicht und damit der Kundennutzen vernachlässigt wird. Die KI erkennt, dass jemand abwanderungsgefährdet ist. Der Versicherer geht aktiv auf diesen Kunden zu. Nun kann der „Schuss auch nach hinten losgehen“ und die Prophezeiung der Kündigung tritt erst recht ein, weil der Kunde zu einem ungünstigen Zeitpunkt angesprochen wurde. Wird dieser Geschäftsvorfall nicht richtig beobachtet, kauft sich der Versicherer gegebenenfalls einen negativen Business Value ein. Existiert in der Organisation keine Fehlerkultur, die dies als Teil von Innovation versteht, trifft keiner die Entscheidung das System elementar neu zu justieren oder gar das Vorhaben als ein Learning zu beenden.
Dieses Beispiel zeigt einen weiteren Faktor, nämlich den der Exploration! Versicherer müssen ein Umfeld schaffen, welches ein Probieren und Lernen ermöglicht. Auch mit der Erkenntnis, dass bestimmte Vorhaben eben nicht erfolgreich sind. Hier spielt der Gesichtsverlust eine starke Rolle. Die Basis bei den Versicherern wird durch folgende Faktoren neu geprägt:
- Zusammenarbeit von cross-funktionalen Teams
- Einem agilen Mindset
- Eigenverantwortung übernehmen
- Entscheidungskompetenz ermöglichen
- Kundenorientierung in das Zentrum von Produktentwicklung stellen
Mithilfe dieses ganzheitlichen Ansatzes wird die Perspektive auf die unterschiedlichen Herausforderungen gelegt. Der Nutzen ist frühzeitig erkennbar und Maßnahmen zur Korrektur können in allen Dimensionen, wie der fachlichen, organisatorischen und technischen durchgeführt werden. Dies erhöht die Akzeptanz sowohl nach innen als auch nach außen zum Kunden und bildet die Voraussetzungen für weitere Maßnahmen, da diese als Chance und nicht als Bedrohung verstanden werden.
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