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In meinem letzten Blog-Beitrag zum Thema „Die Digitalisierung in der Abfallwirtschaft: Herausforderungen und Chancen“ habe ich die Entwicklung und Notwendigkeit der Digitalisierung in der Abfallwirtschaft beschrieben. Dabei stand vor allem die Erreichung der Klimaziele durch Ressourcenschonung im Vordergrund. Mit der zunehmenden Digitalisierung muss aber auch ein wichtiger Punkt betrachtet werden, der uns alle betrifft: wir brauchen auch in Ausnahmesituationen wie Pandemien, Kriegen, Naturkatastrophen oder Cyberangriffen eine funktionierende Abfallwirtschaft - genauer gesagt eine funktionierende Siedlungsabfallentsorgung. Nur wenn die Entsorgung jederzeit gewährleistet ist, können die öffentliche Gesundheit, Teile der Sicherheit sowie die Energieversorgung und der Umweltschutz aufrechterhalten werden. Aus diesem Grund wurde die Siedlungsabfallentsorgung 2021 von Bund und Ländern als Kritische Infrastruktur (KRITIS) eingestuft. Mit Hilfe der Digitalisierung kann die Resilienz erhöht und die Funktionsfähigkeit im Störungsfall sichergestellt werden.

Digitalisierung in der Siedlungsabfallentsorgung

Habt ihr schon einmal darüber nachgedacht, was passiert, wenn euer Müll nicht wie gewohnt abgeholt wird?

Unsere Abfälle heißen Siedlungsabfälle. Darunter versteht man nach dem Kreislaufwirtschaftsgesetz Abfälle aus privaten Haushalten sowie Einrichtungen mit ähnlich zusammengesetzten Abfällen ( zum Beispiel Arztpraxen, Krankenhäuser, soziale Einrichtungen, Gewerbe und Industrie). Ihre Entsorgung umfasst die Prozesse der Sammlung, des Transports, der Verwertung sowie der Beseitigung von Abfällen. Diese unterliegen zunehmend der Digitalisierung und werden von einer Vielzahl kleiner, großer oder kommunaler Unternehmen durchgeführt. Ein Teil der Siedlungsabfälle wird unter anderem zur Energiegewinnung durch Verbrennung genutzt.

Ursachen und Folgen von Störungen

Ursachen für Entsorgungsausfälle können Krisenzeiten, ausgelöst durch Naturkatastrophen und Terrorismus, personelle oder technische Probleme, aber auch informationstechnologische Ursachen bis hin zu Cyberangriffen sein. Unabhängig von der Ursache kommt es sehr schnell zu einer Beeinträchtigung des öffentlichen Lebens. Die Abfallwirtschaft ist eng mit anderen Sektoren wie der Wasserversorgung, dem Gesundheitswesen und der Energieversorgung verknüpft. Das bedeutet, dass eine zuverlässige Abfallentsorgung wichtig ist, um vor allem die Ausbreitung von Krankheiten und Schädlingen zu verhindern und die Umweltbelastung durch unsachgemäß entsorgte Abfälle zu minimieren. Weitere Folgen eines Versagens der Abfallentsorgung wären:

  • Gefährdung der Straßeninfrastruktur durch sich ansammelnde Abfälle,
  • sinkende Lebensqualität durch das unschöne Stadtbild und Geruchsbelästigungen,
  • Abnahme des Tourismus und
  • zunehmende Gefahr für Unruhen durch Unzufriedenheit der Bürger.

Auch rechtliche Probleme können daraus entstehen. Die in der EU-Abfallrahmenrichtlinie, dem deutschen Abfall- oder Umweltschutzgesetz wie auch in kommunalen Verordnungen festgeschriebene Müllentsorgungspflicht schreibt Regierungen und Verwaltungen vor, die Abfallentsorgung jederzeit sicher zu stellen.

Einsatz von IT in der Siedlungsabfallentsorgung

In der Siedlungswirtschaft werden an verschiedenen Stellen IT-Systeme eingesetzt, um die Verwaltung zu ermöglichen, die Prozesseffizienz zu steigern oder die Sicherheit zu gewährleisten. Dies bedeutet, dass vielfältige Störungen im Entsorgungsprozess auftreten können. Nachfolgend sind einige Bereiche aufgeführt, in denen IT-Systeme zum Einsatz kommen:

Abfallsammlung
  • Wertstoffhöfe
  • Flaschenrücknahmesysteme
  • Meldesysteme für Abholungen (gewerblich, Sperrmüll)
  • Smart Bins – Füllstandssensoren, Erkennung der Abfallfraktion
Abfallbeförderung
  • Automatisierte Tourenplanung und Apps für Tourendaten als OnBoard-Systeme
  • Entsorgungsfahrzeuge
  • Nachweiserfassungen für gefährliche Abfälle (eANV)
  • Digitale Waage (automatische Datenübertragung)
Abfallsortierung, -lagerung, -verwertung und -beseitigung
  • Anlagenüberwachung, Sicherheits- und Störfallsysteme (beispielsweise Kameras, Sensoren oder Löschanlagen)
  • Verwaltung und Steuerung von Anlagen (etwa Anlagenfahrpläne und/oder Teilprozesse)
  • Erfassung und Auswertung von Anlagendaten
Administration
  • Unternehmen basieren auf IT-Systemen (beispielsweise ERP-, Kommunikations-, Sicherheitssysteme)
  • Schnittstelle zum „Austausch von auftragsbezogenen Leistungsdaten“ (AvaL)

Diese Auflistung zeigt, dass sich die Entsorgungswirtschaft umfassend mit dem Thema IT-Sicherheit auseinandersetzen und Lösungen finden muss, damit die Arbeitsprozesse bestmöglich geschützt und jederzeit in ausreichendem Maße aufrechterhalten werden können.

KRITIS – Kritische Infrastruktur

2020 wurde die EU-Richtlinie zur Netz- und Informationssicherheit (NIS-Richtlinie „NIS 2.0“) novelliert. Diese zielt auf die Gewährleistung eines hohen „Sicherheitsniveaus von Netz- und Informationssystemen“ sowie den „Aufbau nationaler Cybersicherheitskapazitäten [...] kritischer Infrastrukturen (KRITIS)“ ab. Das BSI hat seitdem die Aufgabe, die Cyber-Sicherheit in Deutschland voranzutreiben.

KRITIS werden definiert als „Organisationen und Einrichtungen [Anlagen oder Teile davon] mit wichtiger Bedeutung für das staatliche Gemeinwesen, bei deren Ausfall oder Beeinträchtigung nachhaltig wirkende Versorgungsengpässe, erhebliche Störungen der öffentlichen Sicherheit oder andere dramatische Folgen eintreten würden“.

Die im Folgenden dargestellten zehn Sektoren beziehungsweise Branchen wurden zur Minimierung von Störfallrisiken und zur Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung im Störfall als KRITIS definiert. Im Jahr 2021 wurde im Rahmen der Novellierung des IT-Sicherheitsgesetzes (§2 Abs. 10 Nr. 1 BSIG) die Entsorgung von Siedlungsabfällen ergänzt.

Durch die Einbeziehung der Siedlungsabfallentsorgung gelten viele Entsorgungs- und Verwertungsunternehmen ab 2024 als KRITIS-Betreiber und sind verpflichtet, die in der Definition Kritischer Infrastrukturen nach dem BSI-Gesetz (BSI-KritisVerordnung/ BSI-KritisV) definierten Anlagen (siehe unten) auf ihre Bedeutung für die Versorgung der Bevölkerung zu überprüfen.

  • Disposition zur Sammlung oder zum Transport von Siedlungsabfällen
  • Lagerung, Zwischenlagerung und Umschlag
  • Thermische Behandlung
  • Mechanisch-biologisch/physikalische Behandlung
  • Biologische Behandlung
  • Mechanische Behandlung
  • Sortierung von Siedlungsabfällen

Als Prüfkriterium wird häufig der Schwellenwert „fünfhunderttausend versorgte Personen“ herangezogen. Bei Erreichen oder Überschreiten dieses Wertes unterliegen KRITIS-Betreiber den gesetzlichen Melde- und Nachweispflichten des BSIG. Genaue Werte werden derzeit erarbeitet und sollen in den nächsten Jahren erweitert werden. Mit Inkrafttreten der neuen KritisV im Jahr 2024 geht der Gesetzgeber von circa 300 KRITIS-Betreibern in Deutschland aus.

Handlungsfelder für IT-Dienstleister

Mit der Digitalisierung nehmen die Vernetzung und die Komplexität von IT-Systemen zu. Damit steigen auch die Risiken durch menschliches Fehlverhalten oder technisches Versagen. Auch die Cyber- und Informationssicherheit rückt immer mehr in den Fokus. Für KRITIS-Betreiber bedeutet dies eine Vielzahl neuer Aufgaben und Herausforderungen. Auch IT-Dienstleister sind gefordert, für die betroffenen Unternehmen geeignete Lösungen zu entwickeln, die Versorgungssicherheit und Wirtschaftlichkeit auf beiden Seiten versprechen. Ansätze für IT-Dienstleister sind die Entwicklung oder Weiterentwicklung von Software und eingesetzten Technologien oder das Angebot von Beratungs- und Schulungsleistungen.

Verbesserung von Software und Technologie

Vermeidung menschlicher Bedienfehler

  • Sichere, intuitive, den Mitarbeitenden unterstützende Anwendungen (etwa Zwei-Faktor-Authentifizierung, Vier-Augen-Prinzip, Qualitätssicherung, Mitarbeiterschutz)
  • Anlagensensorik (zum Beispiel Erfassung von Bewegungsdaten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter)

Vermeidung von technischem Versagen

  • Ergänzung der Sensorik zur Erfassung kritischer Parameter ggf. durch Nachrüstung (etwa bei ungeplanten Gefahrstoffen im Entsorgungsfahrzeug oder in einer Anlage)
  • Datenanalyse (zum Beispiel durch Predictive Maintenance)
  • 24/7-Meldesystem für das Auftreten von Anomalien (beispielsweise auf mobilen Endgeräten)

Cyber- und Informationssicherheit wahren

  • Betriebssichere Software die sich auf dem neuesten Stand der Technik befindet
  • Zusätzliche Sicherheitssoftware nach neuestem Standard zum Schutz vor Hackerangriffen, Cyberattacken und anderen digitalen Bedrohungen
  • Schutz von computergesteuerten Prozessen, Sensoren und anderen vernetzten Geräten wie Überwachungsgeräten (etwa bei Fernüberwachung und -steuerung)
Beratung und Schulung von Entsorgungsunternehmen

Beratung

  • Einsatz von Hard- und Software
  • IoT-Technologien
  • Datenhaltung (IoT-Plattformen, Digitaler Zwilling, etc.)

Schulungen

  • IT-Sicherheit (Cybersecurity, Netzwerke, Soft- und Hardware, etc.)
  • IT-Management
  • Mitarbeitersicherheit (Umgang mit IT und vernetzten Geräten)
  • Technologiebasierte Anlagensicherheit (Software, Sensorik, etc.)
  • Datenanalyse

Fazit

Die notwendige Digitalisierung im KRITIS-Sektor bringt ein breites Aufgabenspektrum für IT-Dienstleister mit sich, da die Entsorgungs- und Verwertungsunternehmen die KRITIS-Anforderungen nicht alleine erfüllen können. Sie kann zur Versorgungssicherheit in Ausnahmesituationen, zur Effizienzsteigerung von Verwaltungs- und Arbeitsprozessen und zu mehr Sicherheit für die Mitarbeiter beitragen. Sie birgt aber auch Risiken. Die Aufklärung über Cybersicherheit und andere digitale Bedrohungen sowie über den Umgang mit IT-Systemen und die technologische Aufrüstung sind von entscheidender Bedeutung, um kritische Systeme vor Bedrohungen zu schützen. Die Umsetzung robuster Sicherheitsmaßnahmen, regelmäßige Überprüfungen und kontinuierliche Anpassungen sind notwendig, um die Widerstandsfähigkeit kritischer Infrastrukturen in einer zunehmend digitalisierten Welt zu gewährleisten. Insbesondere mittelständische Unternehmen müssen in die Pflicht genommen werden, da auch sie ab 2024 nach den NIS-2-Richtlinien gesetzlich verpflichtet sind, ihre Systeme zu schützen.

Unsere Expertinnen und Experten unterstützen mit ihrem Know-how die Entsorgungsdienstleister bei der Erfüllung der neuen Anforderungen.Lasst euch gerne beraten und vereinbart einen Termin mit unseren Fachleuten auf der E-World 2024.

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Autorin Julia Jäkel

Julia Jäkel ist seit März 2023 als Projektmanagerin bei adesso tätig. Nach ihrem Studium der Umwelt- und Entsorgungstechnik und ersten Jobs in der Biogasbranche zog es sie immer mehr in die IT-Branche. Während ihres Studiums konnte sie bei einem Auslandsaufenthalt in Mendoza, Argentinien, die Aufklärungsarbeit von Kindern zum Thema „Ändere dein Verhalten, nicht das Klima“ unterstützen.

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