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Die Gaskrise hält nach wie vor an. In einem vergangenen Blog-Beitrag haben wir die Gründe und Folgen der zweiten Stufe des „Notfallplans Gas“ bereits zusammengefasst. Nach der Wartung der Pipeline Nordstream 1 drosselt Russland die geförderte Gasmenge auf 20 Prozent. Um die Gasversorgung zu sichern und die Lager weiter zu füllen, sollen andere Energiequellen genutzt werden. Wirtschaftsminister Robert Habeck setzt dabei auf Kompensation durch Kohlekraftwerke. Die Opposition, speziell Jens Spahn (CDU), fordert stattdessen, den Einsatz der Atomkraftwerke zu verlängern. Sicherlich sind beide Ansätze nicht optimal für das Klima beziehungsweise die Umwelt, doch welche Lösung stellt das kleinere Übel dar und welche ist überhaupt umsetzbar?

Vor- und Nachteile von Kohlekraftwerken

Vereinfacht gesagt, erzeugen Kohlekraftwerke durch die Verbrennung von Kohle Strom. Durch die Verbrennung von Kohle wird Wasser erhitzt und zu Wasserdampf umgewandelt. Der Wasserdampf treibt wiederum eine Turbine an, die an einen Generator gekoppelt ist; dieser Generator erzeugt den Strom im Kohlekraftwerk. Eine Kilowattstunde (kWh) kostet dabei nur sechs Cent bei Braunkohle und acht Cent bei Steinkohle. Die angegebenen Kosten sind reine Produktionskosten, Folgekosten sind nicht berücksichtigt. Stein- und Braunkohle sind in Deutschland verfügbar, weswegen man sich nicht erneut in Abhängigkeit von ausländischen Zulieferern begibt.

Im Gegensatz zu Gaskraftwerken können Kohlekraftwerke zur flexiblen Energieerzeugung (Bedienung der Spitzenlast) nicht einfach hoch- und runtergefahren werden. Außerdem weisen Kohlekraftwerke mit 798–1150 g CO2-Äquivalenten pro Kilowattstunde (kWh) Strom den höchsten CO2-Ausstoß aller Kraftwerkstypen zur Energieerzeugung auf. Die vereinbarten Ziele zur Reduktion des CO2-Ausstoßes sind damit gefährdet. Der Kohleausstieg ist „idealerweise“ laut Koalitionsvertrag zwischen SPD, den Grünen und FDP bis zum Jahr 2030 geplant. Daran soll auch die aktuelle Knappheit nichts ändern. Neben CO2 werden noch andere umweltschädliche Stoffe wie Schwefeloxid, Stickoxide und Staub freigesetzt. Ferner gibt es einen großen Widerstand gegen den Abbau von Kohle. Als Beispiel ist die Besetzung des Hambacher Forsts aus dem Jahr 2016 zu nennen, als dieser zum Ausbau des Braunkohle-Tagebaus gerodet werden sollte.

Vor- und Nachteile von Atomkraftwerken

In einem Atomkraftwerk wird Strom durch Kernspaltung erzeugt. Durch die Spaltung des Urans wird Wasser aufgeheizt und Wasserdampf gewonnen. Der nachfolgende Ablauf ist gleich dem eines Kohlekraftwerkes. Dabei kostet eine Kilowattstunde (kWh) 13 Cent, also sieben beziehungsweise fünf Cent mehr als bei Braun- und Steinkohle, ohne Berücksichtigung der Folgekosten. Im Gegensatz zur Braun- und Steinkohle verfügt Deutschland nicht über eigene kommerzielle Uran-Abbaugebiete, sodass bei der Beschaffung von neuen Brennstäben erneut eine Abhängigkeit gegenüber anderen Ländern entstehen würde. Dabei stammen 40 Prozent des Urans für Europa aus Russland und Kasachstan.

Bei alleinigem Betrachten der CO2-Äquivalente kommt einer der größten Vorteile der Atomkraftwerke zum Vorschein. Denn mit einem Ausstoß von nur 12 g CO2-Äquivalenten pro kWh weisen Atomkraftwerke nur einen Bruchteil der CO2-Ausstöße von Kohlekraftwerken auf und scheinen die optimale Übergangslösung zu sein, um die vereinbarten CO2-Ausstoßziele zu erreichen. Atomkraftwerke sind allerdings dafür konzipiert, dass sie Tag und Nacht gleichmäßig Strom liefern müssen, was sie noch unflexibler als Kohlekraftwerke macht. Der Rückbau der letzten drei Atomkraftwerke ist bereits zum 31.12.2022 geplant, weshalb keine weiteren Brennelemente gekauft wurden. Aufgrund dessen müssten die noch betriebenen Atomkraftwerke jetzt die Leistung drosseln und weniger der verbleibenden Brennelemente verbrauchen, um länger Energie bereitstellen zu können. So könnte Atomenergie länger genutzt werden, jedoch würde die Summe der Strommenge gleich bleiben. Die drei verbleibenden Atomkraftwerke gehören zu den sichersten der Welt, dennoch müssen diese regelmäßig gewartet werden. Die Wartungen wurden anhand des vorgeschriebenen Atomausstiegs weit im Voraus und über mehrere Monate geplant und angesetzt. Durch eine Verlängerung wären aufwendige außerplanmäßige Wartungen notwendig. Hier ist eine Sonderregelung sehr fraglich, da auch die Haftung der Atomkraftwerkbetreiber zum 01.01.2023 ausläuft.

Fazit

Die Entscheidung der Bundesregierung, „parallel“ aus Kohle- und Atomenergie auszusteigen, ist insbesondere aus heutiger Sicht und unter Berücksichtigung der aktuellen weltpolitischen Entwicklungen als mehr als ungünstig zu bezeichnen.

Auch wenn, nach ARD-DeutschlandTrend, über 80 Prozent der Befragten sich für eine kurzfristige oder sogar eine langfristige Nutzung der Atomenergie aussprechen, sind einige Parameter zu berücksichtigen, die dieses Vorhaben unter den gegebenen Rahmenbedingungen schlicht erschweren. Sei es die Verfügbarkeit der Rohstoffe oder aber die ungeklärte Haftung und die aufwendige Wartung.

Unter diesen Gesichtspunkten ist die Schließung der Versorgungslücke durch Atomenergie mit hohen Hürden sowohl technischer als auch genehmigungsrechtlicher Natur verbunden. Demnach ist die Kohleenergie aus Umsetzbarkeitsaspekten zu bevorzugen.

In der Krise steckt auch eine Chance: So werden die Forderungen immer lauter, dass die Energiekrise für mehr Investitionen in erneuerbare Energien genutzt wird, anstatt wieder auf fossile Brennstoffe zu setzen. Dabei muss ein schnellerer Ausbau von Wind- und Solarenergie sowie die Förderung für Speichertechnologie im Mittelpunkt stehen.

Weitere spannende Themen aus der adesso-Welt findet ihr in unseren bisher erschienen Blog-Beiträgen.

Bild Jonas Schnorrenberg

Autor Jonas Schnorrenberg

Jonas Schnorrenberg ist Maschinenbauingenieur und arbeitet bei adesso als Consultant im Bereich Utilities mit Fokus auf der Beratung von Unternehmen in der Energiewirtschaft. Sein Schwerpunkt lag in den vergangenen Jahren auf der Leitung von Projekten im Bereich der Energie- und Kraftwerkstechnik. Nach seinem abgeschlossenen Master in Maschinenbau bildet er sich nun nebenberuflich im Rahmen eines Masters in Business Administration weiter.

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Schlagwörter:

Energiewirtschaft

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