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Die Energiekrise in Deutschland beschreibt eine Wirtschaftskrise, in der Energieträger knapp werden und/oder die Energiepreise weit über die allgemeine Inflationsrate steigen. In diesem ersten Beitrag beschreiben wir für euch, wie sich die Energiepreise in den letzten Monaten entwickelt haben und welche Maßnahmen die Bundesregierung eingeleitet hat, um der Krise entgegenzuwirken.

Was kostet Energie aktuell?

Wenn wir uns die Energiekosten anschauen, sehen wir, dass sich der Gaspreis als Folge des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine zeitweise verdoppelte. So lag der Preis für eine kWh Gas vor dem Krieg im Februar 2022 bei 12,3 Cent und stieg im September auf ein Maximum von 39,9 Cent pro kWh. Mittlerweile liegt er wieder bei 11,1 Cent pro kWh. Der Strom wurde um ein Viertel teurer und die Anzeigen an den Tankstellen zeigten Rekordwerte von über 2,20 Euro pro Liter Benzin an. Vor dem Angriff Russlands kostete die kWh Strom 37 Cent. Im September erreichte der Strompreis dann mit 70 Cent pro kWh den Höhepunkt. Aktuell pendelt sich der Preis für eine kWh bei 37 Cent ein.

Ursache der Preissteigerungen bei Gas und Strom waren Preissprünge in den Beschaffungsmärkten, ausgelöst durch den Krieg in der Ukraine und die daraus resultierenden Sanktionen gegen Russland. Bereits im vergangenen Winter waren die Füllstände der deutschen Gasspeicher auf einem historischen Tiefstand. Steigende Gaspreise verteuerten auch die Großhandelspreise für Strom, trotz des Wegfalls der EEG-Umlage.

Die steigenden Gaspreise haben auch Industrieprodukte wie Düngemittel verteuert. Dies wiederum hat Auswirkungen auf die Lebensmittel- und Weizenpreise. Darüber hinaus lassen die Sanktionen gegen Russland die Rohölpreise steigen, was sich auch auf die Preise für Benzin, Diesel und Heizöl auswirkt.

Im ersten Quartal 2023 ist jedoch zu beobachten, dass sich der Strom- und Gaspreis trotz all dieser Einflüsse wieder erholt hat, sodass sich aktuell der Preis dieser beiden Ressourcen wieder auf einem Vorkriegs-Niveau eingependelt hat.

Wie abhängig ist Deutschland noch von russischem Gas?

Durch die gestörte Gasversorgung gilt seit Ende Juni die zweite Eskalationsstufe des Notfallplans Gas. Durch das Ausrufen der Alarmstufe ist es der Bundesregierung erlaubt, den Einsatz von Kohlekraftwerken wieder zu erhöhen, um den Gasverbrauch in der Stromerzeugung zu reduzieren.

Derzeit werden 14,5 Prozent des Erdgases für die Stromerzeugung verwendet. Im Jahr 2021 waren es noch 16 Prozent. Nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums ist es nicht möglich, Erdgas vollständig aus der Stromerzeugung zu verbannen, da es vor allem zur Stromerzeugung in Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen eingesetzt wird, die für die Wärmeerzeugung wichtig sind.

Vor dem russischen Angriff auf die Ukraine stammte die Hälfte der deutschen Gas- und Kohleimporte und sogar ein Drittel des Erdöls aus Russland. Deshalb versucht die Bundesregierung seit Beginn des Krieges, sich von den russischen Energieimporten zu emanzipieren. Bekanntermaßen wurde die geplante Inbetriebnahme der Gaspipeline Nord Stream 2 gestoppt. Außerdem fließt seit August 2022 kein Gas mehr durch Nord Stream 1. Ende September traten an den Pipelines von Nord Stream 1 und 2 Gaslecks auf.

Um unabhängig von russischem Gas zu werden, traten Ende Juli 2022 strengere Anforderungen an den Füllstand der Gasspeicher in Kraft. Am 1. Oktober 2022 sollten die Speicher zu 85 Prozent gefüllt sein, am 1. November zu 95 Prozent. Beide dieser Marken wurden übertroffen, sodass Mitte November 2022 die deutschen Gasspeicher sogar zu 100 Prozent gefüllt waren.

Um die Abhängigkeit von Russland zu reduzieren, setzte die Bundesregierung auf den Bau mehrerer LNG-Terminals für Gasschiffe. Bereits im ersten Quartal 2023 wurde LNG über einen schwimmenden Terminal in Wilhelmshaven angeliefert. Über den Status quo der LNG-Projekte haben wir bereits berichtet. So gelang es der Bundesregierung, die Gasspeicher über dem „Soll“ von 40 Prozent zu befüllen. Aktuell sind die deutschen Gasspeicher fast zu 70 Prozent gefüllt. Dies gelang der Bundesregierung auch, da sie vermehrt auf Gasimporte von europäischen Partnern gesetzt hat.

Seit September 2022 importiert Deutschland kein Gas mehr direkt aus Russland. Neben den Gasimporten über die LNG-Terminals importiert Deutschland hauptsachlich Gas aus Norwegen, Belgien und den Niederlanden.

Insgesamt hat es die Bundesregierung geschafft, durch das Senken des Gasverbrauchs und den Import von alternativen Quellen seine Gasspeicher bisher auf einem sicheren Niveau zu halten. Laut Wirtschaftsminister Robert Habeck soll der Gasverbrauch in Deutschland um 15 bis 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahr reduziert werden, um dies weiterhin zu gewährleisten.

Durch die Umstrukturierung und Diversifikation der Gasimporte ist es der Bundesregierung gelungen, die Gasspeicher aktuell zu fast 65 Prozent zu befüllen. Im Gegensatz dazu waren die Gasspeicher zum gleichen Zeitpunkt im letzten Jahr nur zu 26 Prozent gefüllt.

Unabhängigkeit durch erneuerbare Energien?

In Deutschland stammt oft mehr als die Hälfte des erzeugten Stroms aus erneuerbaren Energiequellen wie Wind und Sonne. Wenn es dunkel ist und gleichzeitig der Wind ausfällt, wird mehr Strom aus Gas-, Kohle- und Atomkraftwerken ins Netz eingespeist.

Die Energiekrise zeigt, wie wichtig der Ausbau der erneuerbaren Energien ist. Deshalb hat die Bundesregierung Ende 2022 beschlossen, dass der Wind- und der Netzausbau beschleunigt werden sollen. Dies ist durch die EU-Notfallverordnung möglich, die am 19. Dezember verabschiedet wurde, und sie dient als deutlicher Beschleuniger bei den Genehmigungsprozessen. Sie soll nun durch Änderungen des Windenergie-Flächenbedarfsgesetzes, des Windenergie-auf-See-Gesetzes und des Energiewirtschaftsgesetzes in nationales Recht umgesetzt werden. Dazu hat das Kabinett eine Formulierungshilfe beschlossen, die in das parlamentarische Verfahren zur Abänderung des Raumordnungsgesetzes eingebracht werden soll. Dabei sind folgende Kerninhalte vorgesehen:

  • Die Verordnung soll für alle Genehmigungsverfahren von Windenergieanlagen an Land, Windenergieanlagen auf See und Stromnetze ab einer Leistung von 110 kV, die vor dem 30. Juni 2024 begonnen werden, angewendet werden. Auch bereits begonnene Genehmigungsverfahren können von den Erleichterungen profitieren.
  • Vereinfachte Genehmigungsverfahren für Onshore-Windkraftanlagen, Offshore-Windkraftanlagen und Netzinfrastrukturprojekte für erneuerbare Energien und ausgewiesene Netzgebiete. So wird für ausgewiesene erneuerbare Energien und Netzgebiete, die bereits eine strategische Umweltprüfung (SUP) durchlaufen haben, im Genehmigungsverfahren auf eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) und eine Artenschutzprüfung verzichtet.
  • Jedoch müssen, um die Belange des Artenschutzes zu wahren, die zuständigen Behörden sicherstellen, dass der Betreiber der geplanten Anlagen geeignete und verhältnismäßige Vermeidungs- und Minderungsmaßnahmen ergreift, d. h. Maßnahmen für den Artenschutz vornimmt. Sollten solche Maßnahmen nicht vorhanden sein, muss der Betreiber einen finanziellen Beitrag zu einem Artenschutzprogramm leisten. Dabei erfolgt die Bewertung auf der Grundlage vorhandener Daten.

Darüber hinaus enthält die sogenannte EU-Notfallverordnung weitere Regelungen zur Beschleunigung, die unmittelbar gelten und daher nicht in nationales Recht umgesetzt werden müssen:

  • Für das Repowering von Erneuerbare-Energien-Anlagen beschränkt sich dabei die UVP auf einen Delta-Test, d. h. auf die Mehrbelastung der neuen Anlage oder Leitung im Vergleich zur bestehenden Anlage oder Leitung. Beim Repowering von Solaranlagen kann die UVP-Pflicht unter bestimmten Voraussetzungen ganz entfallen.

Unter Repowering versteht man z. B., dass ein größerer Windpark mit vielen älteren Anlagen durch einen neuen Windpark mit oft deutlich weniger Anlagen ersetzt wird. Dabei sind die neuen Anlagen in aller Regel viel leistungsstärker und effizienter. Oft kann so auf der gleichen Fläche mit weniger Anlagen mehr Strom eingespeist werden.

  • Beschleunigung für die Installation von Solarenergieanlagen. Durch die Änderung wird die Dauer der Genehmigungsverfahren für die Installation von Solarenergieanlagen auf drei Monate verkürzt. Darüber hinaus gilt für Anlagen unter 50 kW eine Genehmigungsfiktion, d. h., sollte die zuständige Behörde nicht innerhalb einer bestimmten Frist über eine beantragte Genehmigung entscheiden, so gilt die Genehmigung als erteilt.
  • Beschleunigung für den Wärmepumpenausbau. Durch die Verordnung wird die Dauer der Genehmigungsverfahren für die Installation von Wärmepumpen mit einer elektrischen Leistung von weniger als 50 MW generell auf einen Monat verkürzt und auf drei Monate für Erdwärmepumpen.

Fazit

Seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine ist es Deutschland gelungen, sich durch schnelles Handeln von russischer Energie unabhängig zu machen und seine Energieversorgung zu sichern. Die Bundesregierung arbeitet weiter mit Hochdruck daran, die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern zu verringern, um mehr Klimaschutz und eine sichere Energieversorgung zu gewährleisten. Dazu hat die Bundesregierung frühzeitig alle Hebel in Bewegung gesetzt, um die Energieabhängigkeit von Russland so schnell wie möglich zu beenden. Dazu wurde die Energieversorgung insgesamt auf eine breitere Basis gestellt. Dadurch, dass die Bundesregierung wichtige Maßnahmen auf den Weg gebracht hat, die sich bereits im ersten Quartal 2023 ausgezahlt haben, ist es gelungen, die Gasspeicher ohne Gas direkt aus Russland ausreichend zu befüllen und somit die Knappheit einzugrenzen, wodurch sich die Preise wieder stabilisieren könnten. Gleichzeitig hat die Regierung Gesetzesänderungen durchgesetzt, durch die sich die Kapazität der Windenergie bis 2030 verdoppeln soll. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen die Bundesländer nun die neuen Genehmigungsmöglichkeiten nutzen, denn wir brauchen ein ähnliches Tempo wie beim Bau der LNG-Terminals, um diese Ziele zu erreichen.

Wie sich die Energiekrise und der Ausbau der regenerativen Energien im nächsten Quartal entwickeln, erfahrt ihr von uns Ende Juni. Wir halten euch auf dem Laufenden.

Weitere spannende Themen aus der adesso-Welt findet ihr in unseren bisher erschienenen Blog-Beiträgen.

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Autor Maximilian Hammes

Maximilian Hammes ist Consultant in der Line of Business Utilities bei adesso mit den Schwerpunkten Data Analytics und Prozessmanagement. Als Projektleiter und Requirements Engineer unterstützt er Kunden bei der Umsetzung von Digitalisierungsprojekten.

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Autor Jonas Schnorrenberg

Jonas Schnorrenberg ist Maschinenbauingenieur und arbeitet bei adesso als Consultant im Bereich Utilities mit Fokus auf der Beratung von Unternehmen in der Energiewirtschaft. Sein Schwerpunkt lag in den vergangenen Jahren auf der Leitung von Projekten im Bereich der Energie- und Kraftwerkstechnik. Nach seinem abgeschlossenen Master in Maschinenbau bildet er sich nun nebenberuflich im Rahmen eines Masters in Business Administration weiter.

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Autor Stephen Lorenzen

Stephen Lorenzen ist Managing Consultant und seit fast sechs Jahren in der Energiewirtschaft tätig. Er versteht sich als pragmatischer und interdisziplinärer Allroundberater mit mehrjähriger Berufserfahrung in den Bereichen Innovationsmanagement, Requirements Engineering sowie klassischem und agilem Projektmanagement.

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Schlagwörter:

Energiewirtschaft

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