17. Dezember 2024 von Anastasiia Zhuravleva
Kundenzentrierung verändert das Datenmanagement in Versicherungen
Der Einfluss des Customer-Centric-Business-Modells auf das Datenmanagement und die Datenmodellierung von Versicherern
In jüngster Zeit ist ein zunehmender Trend zu kundenorientierten Versicherungen zu beobachten. Viele Versicherungsunternehmen sehen in der kundenorientierten Ausrichtung eine Lösung, um eine stabile und wachsende Kundenbasis für die Zukunft zu sichern und versuchen, diese bei sich zu etablieren.
Der Übergang von einem vertragszentrierten zu einem kundenzentrierten Geschäftsmodell stellt Versicherungsunternehmen vor große Herausforderungen, birgt aber auch enorme Potenziale. Dabei wird häufig übersehen, dass die kundenzentrierte Ausrichtung nicht nur eine Anpassung der Geschäftsstrategie, sondern auch grundlegende Veränderungen im Datenmodell und Datenmanagement erfordert.
Im Folgenden werden die Unterschiede zwischen diesen Geschäftsmodellen, die Auswirkungen auf das Datenmanagement und die Datenmodellierung sowie die erforderlichen Anpassungen der IT-Architektur beleuchtet.
Vom vertragszentrierten zum kundenzentrierten Geschäftsmodell in der Versicherungsbranche
Traditionell sind viele Versicherungsunternehmen vertragszentriert organisiert. Das bedeutet, dass der Fokus auf einzelnen Verträgen oder Policen liegt, nicht auf den Kundinnen und Kunden als Ganzes. Das hört man direkt, wenn man einen Versicherer fragt, wie groß sein Kundenstamm ist. Oft kann der Versicherer ganz genau sagen, wie viele Verträge er im System verwaltet, aber die Kund:innen sind schwer zählbar wegen der großen Menge von Duplikaten der Kundendaten. Die Kundinnen und Kunden standen lange nicht im Mittelpunkt, deswegen auch ihre Daten nicht im Fokus mancher Versicherer waren.
Bei einem kundenzentrierten Modell hingegen steht die Kundin beziehungsweise der Kunde im Mittelpunkt aller Prozesse und Entscheidungen. Dabei werden alle Interaktionen, Produkte und Dienstleistungen entlang der gesamten Customer Journey und des Customer Life Cycle betrachtet und optimiert. Die am häufigsten genannten Vorteile sind eine bessere Kundenbindung, eine höhere Kundenzufriedenheit und die Möglichkeit, personalisierte Produkte und Services anzubieten.
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Customer Data Model in der vertragszentrierten und kundenzentrierten Versicherung
Der Unterschied zwischen einem Customer Data Model (CDM) in einem vertragszentrierten und einem kundenzentrierten Business-Modell in der Versicherung liegt bei den unterschiedlichen Perspektiven, wie Versicherungsunternehmen ihre Kundschaft und Datenbeziehungen betrachten und verwalten.
Im vertragszentrierten Modell liegt der Fokus auf der effizienten Verwaltung einzelner Versicherungsprodukte, wobei die Kundinnen udn Kunden als Akteure oft nur eine sekundäre Rolle spielen. Die Datenstruktur ist um einzelne Versicherungsverträge herum organisiert. Jede Police ist oft eine eigene Entität. Die Kundendaten sind in verschiedenen Systemen gespeichert. Meist handelt es sich um Daten, die nur für die Verwaltung der Verträge benötigt werden. Häufig werden Kundendaten mehrfach erfasst, wenn die Kundin oder der Kunde mehrere Verträge abschließt (zum Beispiel Kfz- und Hausratversicherung).
Im kundenzentrierten Modell stehen die Bedürfnisse, Präferenzen und Lebensereignisse der einzelnen Kundinnen und Kunden im Mittelpunkt. Das CDM dient dabei als Basis, um eine ganzheitliche und konsistente Sicht auf den Kunden zu schaffen. Alle Datenpunkte werden um die zentrale Entität „Kunde“ (oder „Partner“) organisiert. Verträge, Schadensfälle und Interaktionen sind mit dem „Kunden“ verknüpfte Entitäten. Das Modell ermöglicht eine konsolidierte Sicht auf den gesamten Kundenstamm und den einzelnen „Kunden“, einschließlich aller Verträge, Schadensfälle, Kontaktpunkte und Präferenzen. Das kundenzentrierte CDM ist system- und domänenübergreifend.
Ein vertragszentriertes CDM war in der Vergangenheit sinnvoll, aber im digitalen Zeitalter werden die gestiegenen Kundenerwartungen oft unzureichend berücksichtigt.
Erweiterung des Customer Data Model: Von Kunden-Stammdaten zum Management der umfangreichen Kundendaten
Während des Übergangs zum kundenzentrierten Business-Modells wandelt sich Customer Master Data Management (MDM) hin zum Management der Rich Customer Data. Dies kann eine fundamentale Transformation im Umgang mit Kundendaten in Versicherungsunternehmen bedeuten. Während sich Customer-MDM auf die Konsolidierung und Standardisierung von Stammdaten (wie Name, Adresse oder Telefonnummer) konzentriert, erhebt Rich Customer Data die Information über die Lebenssituation der Kundinnen und Kunden sowie die Verhaltensdaten in (Quasi-)Echtzeit.
Das Ziel von MDM ist, einen einheitlichen, korrekten und konsistenten Zustand der Stammdaten über unterschiedliche Systeme hinweg zu schaffen. Denn Versicherer benötigen die Stammdaten für die reibungslose Verwaltung der Business-Prozesse. Dabei konzentriert sich Customer-MDM vor allem auf die Daten, die sich selten oder sogar nie ändern (etwa Anschrift oder Geburtsdatum). Die Stammdaten sind die Basis für das Versicherungsgeschäft, den Mehrwert schaffen dann die Rich Customer Data.
Das Management der Rich Customer Data konsolidiert nicht nur die Stammdaten der Kundinnen und Kunden, sondern auch andere Daten wie laufende Interaktionen in der Kommunikation (Mails, Reaktionen auf Newsletter usw.), Verhalten im Kundenportal oder Lebensereignisse wie den Kauf eines Hauses. Dadurch können sie für die personalisierte Kundeninteraktionen genutzt werden. Durch die Harmonisierung der personenbezogenen Daten mit den Daten über abgeschlossene Versicherungen, Schadensfälle, Zahlungen und Beschwerden kann der Versicherer die nächsten Schritte in der Kommunikation mit den Kundinnen und Kunden planen und Prognosen über die entsprechenden Kundenreaktionen erstellen.
Einfluss des kundenzentrierten Geschäftsmodells auf die IT-Architektur
Die Transformation betrifft nicht nur die Unternehmensausrichtung oder die Datenstruktur, sondern kann auch Änderungen in der IT-Architektur erforderlich machen.
In der traditionellen Architektur dominieren häufig Legacy-Systeme, die auf Vertragsdaten ausgerichtet sind. Diese Systeme sind oft siloartig organisiert, erlauben weder eine einfache Integration noch eine effektive Datenzusammenführung und demzufolge auch keine ganzheitliche Sicht auf die Kundin oder den Kunden.
Für eine kundenzentrierte IT-Architektur spielt die Datenintegration eine entscheidende Rolle. Spannende Themen, die derzeit in der Versicherungsbranche stark nachgefragt werden, wie beispielsweise eine 360-Grad-Kundenansicht oder die vorausschauende Analyse von Kundenbeziehungen, können durch den Aufbau oder die Einführung einer zentralen Kundendatenplattform und die Flexibilisierung der IT-Architektur vollständig realisiert werden. Dazu gehört auch die Anpassung bestehender oder die Entwicklung neuer Systemschnittstellen.
Unter einer zentralen Kundendatenplattform (Customer Data Platform, CDP) verstehen Customer-Experience-Fachleute ein System, das Daten aus allen relevanten Quellen zusammenführt und in (Quasi-)Echtzeit zur Verfügung stellt. Eine Plattform kann entweder gekauft oder auf den bestehenden Systemen des Versicherers aufgebaut werden, sofern diese Anforderungen wie Datenintegration, -bereinigung und -mapping (und weitere) erfüllen.
Viele Versicherer sehen in einem Partnersystem eine zentrale Kundendatenplattform und haben damit bereits einen ersten Schritt zur Kundenzentrierung unternommen. Ein gutes Partnersystem kann bei der Bereinigung und zentralen Verwaltung von Kundenstammdaten helfen, eine 360-Grad-Kundenansicht oder weitergehende domänenübergreifende Analysen allerdings nicht ermöglichen. Partnersysteme eigenen sich am meisten für die Kundenstammdatenverwaltung und dienen daher als Grundlage für das Kundendatenmanagement, sind aber nur ein Puzzleteil für einen wirklich kundenzentrierten Ansatz.
Welche Anpassungen in der IT-Architektur für Customer Centricity erforderlich sind, kann von Versicherer zu Versicherer variieren – je nachdem, welche Tools bereits im Einsatz sind und in welchem Zustand sich diese befinden. Im Rahmen der Einführung eines kundenzentrierten Datenmanagements werden zudem weitere Tools betrachtet, wie etwa CRM-Systeme, Data-Governance-Tools, BI-Tools oder KI-Lösungen. Ziel ist es, für den jeweiligen Versicherer den optimalen und effizientesten Weg zur Kundenzentrierung zu entwickeln.
Fazit
Das kundenzentrierte Geschäftsmodell hat nicht nur Einfluss auf die Unternehmenskultur, sondern erfordert auch eine neue Ausrichtung im Verständnis von Kundendaten und deren Nutzung. Damit der Übergang vom vertragszentrierten Modell zum kundenzentrierten Modell nicht nur oberflächlich erfolgt, sollte der Versicherer frühzeitig umfassende Änderungen im Datenmanagement vornehmen. Unternehmen, die diesen Wandel erfolgreich gehen, blicken in eine sichere und wettbewerbsfähige Zukunft.
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