20. Dezember 2022 von Lars Zimmermann , Stephen Lorenzen und Maximilian Hammes
Jahresrückblick 2022 - es war viel los in der Energiewirtschaft
20 Blog-Beiträge haben wir gemeinsam in diesem Jahr verfasst – Das Ergebnis: 20 spannende Themen, die uns alle bewegt haben.
Neben technischen Themen, beispielsweise dem stockenden Smart-Meter-Rollout oder den Potentialen des Cloud Computing in der Energiewirtschaft, haben wir insbesondere über die gesellschaftlichen Herausforderungen im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg berichtet. Das dominierende Thema: Die Strom- und Gaskrise. Medien berichteten beinahe täglich über die deutsche und auch europäische Versorgungsproblematik. Über die Geschehnisse und Auswirkungen haben wir euch in zahlreichen Blog-Beiträgen - Senkung des Gasverbrauchs, Warme Socken Kampagne, 200 Mrd Euro Abwehrschirm – aufgeklärt.
Trotz des Ukraine-Krieges und der daraus entstandenen Gasversorgungsprobleme blieb ein Thema in Deutschland allgegenwärtig: Der Klimawandel. Die Hintergründe dazu haben wir in unserem Beitrag zum Thema Ostern im Sommer näher beschrieben.
Mit unserem letzten Blog-Beitrag für dieses Jahres wollen wir euch einen abschließenden Überblick über das Energiewirtschaftsjahr 2022 geben und folgende allgemeine Bereiche adressieren:
- 1. Die deutsche Energiewirtschaft 2022
- 2. Die europäische Energiewirtschaft 2022
- 3. Europäische Energiekrise aufgrund des Ukraine-Krieges
Die deutsche Energiewirtschaft 2022
In den letzten Jahren war die Energiewirtschaft in Deutschland stark in Bewegung. Die Energiewende hat erneuerbare Energien immer stärker ins Blickfeld rücken lassen und gleichzeitig die konventionelle Stromerzeugung weiter unter Druck gesetzt. Dieser Trend setzte sich auch in diesem Jahr fort.
Windenergie und Photovoltaik zählten weiterhin zu den Wachstumsmärkten in der Energiewirtschaft. Aktuell wird erwartet, dass die Windenergiebranche ein stärkeres Wachstum vorweisen kann als die Photovoltaik. Auch andere erneuerbare Energien - etwa Biomasse und Geothermie - werden in Zukunft weiter an Bedeutung gewinnen. Um den Ausbau der erneuerbaren Energien sowie den Klimaschutz zu sichern, hat der Bundestag das Klimaschutzgesetz verabschiedet, das ambitionierte Ziele für die Reduzierung der Treibhausgasemissionen bis 2030 vorsieht. Mehr dazu erfahrt ihr in unserem Blog-Beitrag zum Thema Wie das BMWK mit Überschall die Klimaziele erreichen will.
Die konventionelle Stromerzeugung hingegen befindet sich weiterhin im Umbruch. Kernenergie, die in den letzten Wochen aufgrund der Versorgungssicherheitsdebatte und dem Beschluss der AKW-Laufzeitverlängerung immer mehr in den Fokus gerückt ist, wird in Deutschland keine Zukunft mehr haben. Ähnliches gilt für den Kohlestrom, der lediglich wegen der Strom- und Gaskrise kurzfristig wieder Auftrieb erhalten hat, in den nächsten Jahren jedoch weiter an Stellenwert verlieren wird. Die deutsche Industrie hat den Ausstieg aus der Kohleverstromung beschlossen und plant nun den Bau von mehreren großen Windparks in der Nord- und Ostsee. Dies ist ein wichtiger Schritt für Deutschland, da die Politik sich zum Ziel gesetzt hat, bis 2030 komplett auf erneuerbare Energien umzusteigen.
Inzwischen ist klar: Die Energiewende ist kein rein technisches, sondern vielmehr ein gesellschaftlich- politisches Projekt mit hohen marktwirtschaftlichen Herausforderungen. Die Ziele der Energiewende sind eindeutig: Wir wollen unseren CO2-Ausstoß senken, um die Klimakrise zu bekämpfen. Gleichzeitig wollen wir unsere Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen reduzieren und die Nutzung erneuerbarer Energien steigern. Außerdem sollen Abhängigkeiten von Autokratien gelöst, die Digitalisierung weiter mit innovativen Ideen vorangetrieben und die Netzstabilität gesichert werden. All diese Herausforderungen können in den nächsten Jahren nur gemeinsam auf europäischer Ebene gemeistert werden.
Die europäische Energiewirtschaft 2022
Es war ein turbulentes Jahr in der europäischen Energiewirtschaft. Umwelt- und Klimaschutzprobleme, die zunehmende Digitalisierung und die wachsende Nachfrage nach erneuerbaren Energien haben das Gesicht der Branche verändert. Die Europäischen Union (EU) hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2050 klimaneutral zu sein und plant, den Anteil erneuerbarer Energien am Gesamtenergieverbrauch bis 2030 auf 32 Prozent zu erhöhen. Zur Erreichung dieser Ziele haben die größten Wirtschaftsnationen in der EU erneuerbare Energien und alternative Energiequellen stärker fokussiert:
In Frankreich werden immer mehr Atomkraftwerke von Solar- und Windparks ergänzt oder ersetzt. Auch hier setzt die Politik zunehmend auf erneuerbare Energien – dies bestätigte Präsident Emmanuel Macron mit weiteren Gesetzesentwürfen im September. Macron hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2050 etwa 50 Offshore-Windparks in Frankreich zu bauen. Er hofft auch, die Menge an produzierter Sonnenenergie zu verzehnfachen und die Leistung von Onshore-Windparks im gleichen Zeitraum zu verdoppeln. Im vergangenen Jahr lag der Anteil erneuerbarer Energieträger an der Stromerzeugung in Frankreich bei 24 Prozent. Das Ziel, ihren Anteil bis 2030 auf von 40 Prozent zu steigern, wird damit möglich.
Die neu gewählte italienische Regierung will durch den Ausbau von erneuerbaren Energiequellen nicht nur den eigenen Energiebedarf decken, sondern auch ein Energiezentrum für Europa werden. Italien hat das Ziel, Energie in andere Mitgliedsstaaten zu exportieren und baute bereits den ersten Offshore-Windpark im Mittelmeer, der seit August 2022 Strom produziert. Italien strebt bis 2030 einen Anteil erneuerbarer Energien von 55 Prozent in seinem Strommix an, verglichen mit Zielen von über 75 Prozent in Deutschland, Spanien und den Niederlanden.
Mit Gesamtinvestitionen von 16,3 Milliarden Euro will die spanische Regierung das Potenzial von umweltfreundlich erzeugtem Wasserstoff erschließen. Sowohl die Erzeugung von Wasserstoff sowie die Unterstützung von Industrie beim Einsatz der neuen Technologien sollen gefördert werden. Bis 2030 soll ein Anteil erneuerbarer Energien von 75 Prozent erreicht werden.
Im September 2022 nahmen die Niederlande das weltweit erste Offshore-Wasserstoff-Cluster in Betrieb. Mit dem Pilotprojekt will die Regierung die eigene Wasserstoffproduktion weiter ausbauen. Auf einer stillgelegten Gasbohrinsel vor Den Haag wird Strom aus Windkraft gebündelt und Meerwasser durch Elektrolyse aufgespalten. Der so entstehende grüne Wasserstoff wird über die vorhandene Gaspipelines ans Festland transportiert. Auch hier soll 2030 der Anteil erneuerbarer Energien bei der Stromerzeugung 75 Prozent betragen.
Europäische Energiekrise aufgrund des Ukraine-Krieges
Die europäische Energiekrise ist ein Begriff, der verwendet wird, um die Situation zu beschreiben, in der die EU mit einer drohenden Energieknappheit konfrontiert ist. Dies ist primär auf die Spannungen zwischen Russland und der EU (siehe Nordstream 1+2) zurückzuführen, die zu einem erheblichen Maße in einem Rückgang der russischen Gaslieferungen an die EU mündeten. Obwohl der Ukraine-Krieg lediglich die Gasversorgung stört, schließt die Energiekrise auch die Stromversorgung mit ein. Über die Hintergründe dieses Zusammenhangs haben wir in unserem Blog-Beitrag zum Thema Die Kopplung von Strom und Gas aufgeklärt.
Die nachfolgende Tabelle gibt einen Überblick über die positiven und negativen Auswirkungen, die aus der Energiekrise resultieren:
Positive Auswirkungen
- Verbesserte Energieeffizienz
- Verstärkte Zusammenarbeit zwischen den Ländern
- Anstieg der erneuerbaren Energien
- Aufkommendes Bewusstsein, sparsamer mit Energie umzugehen beziehungsweise nachhaltiger Entscheidungen zu treffen
Negative Auswirkungen
- Signifikanter Rückgang des Energieangebots, da Lieferungen aus Russland stark gekürzt wurden
- Erhebliche Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation in Europa und Destabilisierung des Energieversorgungssystems
- Anstieg der Energiepreise aufgrund von Engpässen bei der Versorgung
- Anstieg des CO2-Ausstoßes durch Kohleverstromung
- Erhöhten Anzahl an Stromausfällen
Um den negativen Effekten der Energiekrise entgegenzuwirken, haben sich die EU-Mitgliedsstaaten auf grundlegende Maßnahmen konzentriert:
- Weiterführung der Liberalisierung des europäischen Gasbinnenmarktes
- Engere Zusammenarbeit der EU-Mitgliedsländer
- Maßnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz
- Entlastungspakete für die Bevölkerung
- Ausbau erneuerbarer Energien
- Ausbau alternativer Energiequellen – beispielsweise Wasserstoffterminals
- Verringerung der Abhängigkeit von russischem Gas
- Kurzfristiger Weiterbetrieb von Kohle- und Atomkraftwerken
Fazit
Wir blicken auf ein ereignisreiches Jahr in der Energiewirtschaft zurück. Es gibt kaum Themen, die die Gesellschaft in Deutschland und Europa mehr bewegt haben, als der Klimawandel und der Krieg in der Ukraine. In Deutschland setzt die Politik zur Erreichung der Klimaziele ihren Weg der Energiewende fort. Gleichzeitig entlastet die Bundesregierung mit milliardenschweren Rettungspaketen die Bevölkerung, um den gestiegenen Strom- und Gaspreisen entgegenzuwirken. Wir hoffen, dass die ambitioniert gesteckten Klimaziele für Deutschland bis 2030/2050 entgegen den Prognosen erreicht werden und die erhofften Entlastungen tatsächlich bei den privaten Haushalte und Industrieunternehmen im nächsten Jahr ankommen.
Auch auf europäischer Ebene sind Bemühungen erkennbar, um die Klimaziele der EU zu erreichen. Die großen EU-Wirtschaftsnationen (Italien, Frankreich, Spanien) haben dafür umfassende Maßnahmen und Investitionen in erneuerbare und alternative Energiequellen geplant.
Der Ukraine-Krieg und die daraus resultierenden Folgen haben wir alle spüren müssen. Die EU zeigt sich jedoch immer entschlossener. Denn eines ist klar: es wird noch ein langer Weg sein, den Ukraine-Krieg und seine Folgen für die europäische Energiewirtschaft vollständig zu beenden. Dieser Weg kann nur gemeinsam bestritten werden.
Dennoch bleiben wir zuversichtlich, wünschen euch ein frohes Weihnachtsfest, einen guten Rutsch und informieren euch im nächsten Jahr weiter über aktuelle Themen aus der Energiewirtschaft.
Weitere spannende Themen aus der adesso-Welt findet ihr in unseren bisher erschienenen Blog-Beiträgen.