3. März 2023 von Timo Hartmann, Zoe Holdt und Simon Bächle
Energiewirtschaft - Was ändert sich im Jahr 2023?
In der Energiewirtschaft sind Veränderungen in der Regulatorik nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Die Gründe sind vielschichtig und reichen von der Einführung neuer Technologien und Sicherheitsvorschriften in der IT bis hin zur Eindämmung des Klimawandels. Die Akteure werden durch eine Vielzahl an neuen Beschlüssen, Verordnungen und Gesetzen immer wieder herausgefordert, indem sie die Regularien zeitnah umsetzen müssen. Die Umsetzung der teilweise schwammig formulierten Schriften erfordert eine Menge an Personal und verursacht hohe Kosten. In diesem Blog Beitrag werden einige Neuerungen für das Jahr 2023 beleuchtet.
Was ist die Marktkommunikation (MaKo) überhaupt?
Die Marktliberalisierung im Energiesektor begann zur Jahrtausendwende und ermöglichte Endverbrauchenden zum ersten Mal, den Energielieferanten frei zu wählen. Allgemein führte dies zu einer steigenden Anzahl an Lieferantenwechseln. Um diese Wechsel zu ermöglichen, müssen die Marktteilnehmer miteinander kommunizieren. Dies wird unter anderem durch verschiedene Datenformate umgesetzt. Durch die hohe Menge an Nachrichten und Daten, die täglich ausgetauscht werden, ist ein hoher Grad an Automation unabdingbar. Daraus resultiert die Einführung von möglichst effizienten und einheitlichen Standards. Mit der Zeit offenbaren sich Verbesserungsmöglichkeiten, sodass Anpassungen an diesen Prozessen nötig werden.
Damit all diese Prozesse und Standards strukturiert und für jede Person gleichermaßen einsehbar sind, wurde die MaKo ins Leben gerufen. Diese besteht zum aktuellen Zeitpunkt (MaKo 2022) aus einer Vielzahl von verschiedenen Prozessdokumenten und unterteilt sich in die Strom- und Gasbereiche. Federführend ist die Bundesnetzagentur (BNetzA). Diese teilt sich in mehrere Beschlusskammern (BK) auf, die wiederum verschiedenste Geschäftsfelder bedienen. Im Fall der Marktkommunikation sind dies die BK6 – diese befasst sich mit der Regulierung des Zugangs zu Elektrizitätsversorgungsnetzen – sowie die BK7, die sich mit der Regulierung des Zugangs zu Gasversorgungsnetzen auseinandersetzt. Im Anschluss findet ein Konsultationsverfahren mit dem Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) statt. Die Veröffentlichung der neuen technischen Prozesse kann der Seite edi@energy entnommen werden, während fachliche Änderungen direkt durch die jeweiligen Beschlusskammern 6 oder 7 veröffentlicht werden. Allgemein tritt alle sechs Monate eine neue Version der Marktkommunikation in Kraft, jeweils zum 01.04. und zum 01.10. eines Jahres.
MaKo 2023 – Einführung des neuen technischen Standard AS4
So ergeben sich auch in diesem Jahr Änderungen in der MaKo. Wir richten dabei unseren Blick hauptsächlich auf die technische Seite. Mit der Einführung eines neuen Datenformats ergeben sich Veränderungen in grundlegenden Kommunikationsprozessen. Die Änderung tritt mit der MaKo zum 01.10.2023 in Kraft und muss bis zur darauffolgenden MaKo am 01.04.2024 umgesetzt werden.
Mit AS4 ergibt sich eine Automatisierung in der Kommunikation, die in der Energiewirtschaft zum Teil noch per E-Mail-Anhang erfolgt. Aus diesem Grund sollen im Rahmen von AS4 Webservices eingeführt werden, über die die Marktkommunikation mit IT-Systemen automatisiert abläuft. Weitere Informationen zum Wechsel auf AS4 finden sich im zugehörigen BDEW-Dokument.
EEG 2023 – der Hintergrund
Auf der Pariser Klimakonferenz im Jahr 2015 haben sich die Staaten im „Übereinkommen von Paris“ erstmals verpflichtet, die Erderwärmung gegenüber dem vorindustriellen Niveau auf deutlich unter 2 Grad Celsius zu begrenzen.
Aus diesem Grund hat die EU ihre langfristige Strategie für die Verringerung der Emissionen angepasst und 2020 die aktualisierten Klimaschutzpläne vorgelegt. Darin verpflichtet sie sich, die EU-weiten Emissionen bis 2030 gegenüber dem Niveau von 1990 um mindestens 55 Prozent zu verringern. Damit wird das Ziel verfolgt, die Erderwärmung auf ein Maximum von 1,5 Grad Celsius zu begrenzen.
Die Realisierung der EU-Ziele wird auf nationaler Ebene mit Hilfe von verschiedensten Gesetzen – insbesondere in Deutschland durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) – umgesetzt. Im EEG 2023 reagiert Deutschland nun konkreter auf die Vorgabe der EU. Statt des Ausbaus der erneuerbaren Energien auf 65 Prozent bis 2030 und einer treibhausgasneutralen Stromerzeugung bis 2050 soll nun im Jahr 2030 der Bruttostromverbrauch zu 80 Prozent und 2035 nahezu vollständig aus erneuerbaren Energien gedeckt werden. In der Konsequenz bedeutet das eine Verdreifachung der aktuellen Ausbauraten für EE-Anlagen. So soll sich der Anteil der erneuerbaren Energien am Bruttostromverbrauch innerhalb von weniger als 10 Jahren fast verdoppeln.
EEG 2023 – Fokus auf den Ausbau von PV-Anlagen
Eine wichtige Änderung betraf die EEG-Umlage, die bereits zum 01.07.2022 auf null gesenkt wurde, mit dem Ziel, die Verbraucherinnen und Verbraucher von den hohen Strompreisen zu entlasten. Damit einhergehend hat sich die Finanzierung der EEG-Umlage grundlegend geändert: Während die EEG-Umlage zuvor über den Strompreis finanziert wurde, geschieht dies nun aus den Mitteln des Bundeshaushalts. Hierfür wurde ein Sondervermögen mit dem Namen „Klima- und Transformationsfonds“ gegründet, das aus dem nationalen Emissionshandel und der CO2-Bepreisung gespeist wird.
Der Fokus des EEG 2023 besteht in der Förderung von PV-Anlagen. Hierbei räumt der Gesetzgeber den Anlagenbetreibern deutlich höhere Vergütungssätze für die Einspeisung des Stroms ein, sodass sich die Wirtschaftlichkeit für viele Projekte verbessert hat. Zudem sollen regulatorische Schwellen abgebaut werden, sodass der organisatorische Aufwand sich für die Anlagenbetreiber reduziert. Eine Konsequenz ist, dass geplante PV-Anlagen erst ab 1 Megawatt (MW) installierter Leistung an Ausschreibungen teilnehmen müssen. PV-Anlagen, die dem Bestand von Bürgerenergiegesellschaften angehören sollen, müssen sogar erst ab einer installierten Leistung von 6 MW an Ausschreibungen teilnehmen. Weitergehend ergeben sich gravierende Änderungen bei Ausschreibungen im Bereich von Freiflächen. Gewässeranlagen, Agri-PV und Anlagen auf Parkplatzflächen geraten dabei in den Fokus. So sollen bis 2024 insgesamt 8.100 MW ausgeschrieben werden. Es zeigt sich also, dass PV-Anlagen in den nächsten Jahren eine immer zentralere Rolle bei der Stromerzeugung spielen sollen.
Eine weitere Anpassung durch die EEG-Novelle betrifft die Reduzierung der EEG-Förderung bei negativen Börsen-Strompreisen. Bisher liefen Anlagenbetreiber nur Gefahr, die Förderung zu verlieren, wenn der Strompreis über mindestens 4 Stunden negativ war. In Zukunft sollen Neuanlagen flexibler in der Stromerzeugung sein, insbesondere in Phasen mit negativen Strompreisen. Die Anzahl der Stunden, in denen negative Preise zur Streichung der Vergütung führen, wird schrittweise reduziert. Ab dem Jahr 2027 wird keine Förderung mehr gezahlt, wenn der Börsenpreis einen negativen Wert annimmt.
adesso-Expertise
Bei adesso beschäftigen wir uns kontinuierlich mit den Veränderungen am Markt, insbesondere durch unsere Arbeitsgruppe „Regulierungsradar“. So betrachten wir die neuesten Veränderungen in der Gesetzgebung, analysieren sie und kategorisieren sie nach ihrer Relevanz. Daraus leiten wir ab, welche Folgen diese Änderungen für unsere Kundinnen und Kunden haben können. Wenn Sie Fragen zur aktuellen Regulatorik haben, freuen wir uns über Ihre Nachricht.
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