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Die Ukraine-Krise im Jahr 2022 hat den Strommarkt auf den Kopf gestellt: Neue Preisrekorde und extreme Preisspitzen sind seitdem Realität und haben auch die öffentliche Diskussion über sogenannte „Extrempreise“ angeheizt. Aber auch darüber hinaus stehen die Energiebeschaffung und der Energiehandel in den nächsten Jahren vor weitreichenden Veränderungen. Getrieben durch die Energiewende und die damit verbundene Notwendigkeit der Dekarbonisierung, die zunehmende Digitalisierung und das Auslaufen der staatlichen Förderung erneuerbarer Energien wird der Energiemarkt immer komplexer und dynamischer. Gleichzeitig nimmt die Preisvolatilität durch den steigenden Anteil erneuerbarer Energien und die Dezentralisierung der Erzeugung vor allem auf den kurzfristigen Märkten weiter zu. Waren die traditionellen Prozesse der Energiebeschaffung und des Energiehandels lange Zeit durch langfristige Verträge, starre Preisstrukturen und stabile Marktverhältnisse geprägt, so hat sich dies grundlegend geändert.

Der Energiehandel verlagert sich zunehmend von langfristigen Fixpreisverträgen hin zu kurzfristigen und dynamischen Handelsformen. Spot- und Intraday-Märkte, die auf kurzfristigen Handelsentscheidungen basieren, gewinnen an Bedeutung, um Preisvolatilität und Schwankungen bei Angebot und Nachfrage auszugleichen. Diese neue Flexibilität erfordert jedoch den Einsatz fortschrittlicher digitaler Technologien, um Daten in Echtzeit zu verarbeiten und Handelsentscheidungen zu automatisieren. Energieunternehmen müssen sich an diese neuen Marktbedingungen anpassen, um in den kommenden Jahren wettbewerbsfähig zu bleiben.

Die größten Treiber des Wandels in den nächsten Jahren

Eine Reihe von Faktoren beschleunigt den Wandel in der Energieversorgung und im Energiehandel, zu denen insbesondere die folgenden Faktoren zählen:

  • Ausbau der erneuerbaren Energien
  • Zunehmende Preisvolatilität auf den Märkten
  • Regulatorische Veränderungen wie der Wegfall der EEG-Förderung
  • Netzengpassmanagement
1. Ausbau erneuerbarer Energien

Bis 2030 soll der Bruttostromverbrauch laut Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) in Deutschland zu 80 Prozent durch erneuerbare Energien gedeckt werden. Dieses wichtige und nicht weniger ambitionierte Ziel bedarf entsprechender Maßnahmen. Das bedeutet vor allem Veränderungen - und zwar schnell. So wurden allein in der ersten Hälfte des Jahres 2024 in Deutschland erneuerbare Energieanlagen mit einer Kapazität von 9,3 Gigawatt zugebaut. Gleichzeitig steigt der Strombedarf, zum Beispiel durch den Umstieg auf Elektromobilität und den vermehrten Einsatz von Wärmepumpen.

Wind- und Solarenergie sind heute die am schnellsten wachsenden Energiequellen, was zu einer zunehmenden Dezentralisierung der Stromerzeugung führt. Während dies positive Auswirkungen auf den Klimaschutz hat, stellt die volatile Erzeugung aus wetterabhängigen Quellen die Märkte vor neue Herausforderungen. Der schwankende Anteil von Wind- und Solarenergie führt zu einer zunehmenden Volatilität auf den Strommärkten und erhöht die Anforderungen an Netzbetreiber und Händler, diese Schwankungen effizient auszugleichen.

2. Preisvolatilität im Short-Term-Trading

Die Preisvolatilität auf den kurzfristigen Märkten (Day-Ahead- und Intraday-Markt) wird durch den wachsenden Anteil erneuerbarer Energien weiter zunehmen. Kurzfristige Schwankungen bei der Stromerzeugung, etwa durch wetterbedingte Veränderungen, führen zu einer erhöhten Unsicherheit in der Preisbildung. Insbesondere auf dem Intraday-Markt, auf dem vor allem Abweichungen zwischen PV- und Windprognosen einerseits und Lastprognosen andererseits ausgeglichen werden, kommt es immer häufiger zu extremen Preisausschlägen - sowohl in positiver als auch in negativer Richtung. Energiehändler müssen in der Lage sein, schnell auf diese Schwankungen zu reagieren, um Gewinne zu maximieren beziehungsweise Verluste zu minimieren.

Auch der Ukraine-Krieg im Jahr 2022 hat deutliche Auswirkungen auf den Strompreis gezeigt. Infolge der höheren Gaspreise aufgrund ausgebliebener Gaslieferungen aus Russland sind beispielsweise die Preise am Day-Ahead-Markt enorm gestiegen (siehe folgende Abbildung) . Obwohl die Strompreise seit dem Höhepunkt der Energiekrise wieder gesunken sind, sind sie immer noch deutlich volatiler als vor der Krise.


Abbildung 1: Strompreis - Dashboard Deutschland; Abrufdatum: 11/11/2024; Hrsg. Statistisches Bundesamt (Destatis) / Quellen: Macrobond Financial AB, EPEX SPOT SE

Insgesamt ist davon auszugehen, dass Phasen von Hoch- und Tiefpreisen dementsprechend deutlich zunehmen werden. Dies zeigt sich an den weiterhin starken Preisspitzen und Preisen von über 100 Euro pro Megawattstunde sowie an der Entwicklung der letzten Jahre hinsichtlich der Anzahl negativer Preise am Markt (Day-Ahead: 301 Stunden im Jahr 2023 vs. 69 Stunden im Jahr 2022) .

3. Wegfall der EEG-Förderung

Mit dem geplanten Auslaufen der EEG-Förderung für ältere erneuerbare Energieanlagen in Deutschland werden viele Betreiber in den freien Markt eintreten. Diese Anlagen müssen ohne staatliche Förderung wettbewerbsfähig sein, was den Druck auf den Energiehandel weiter erhöht. Betreiber und Händler müssen neue Geschäftsmodelle entwickeln, um diese Anlagen wirtschaftlich betreiben zu können. Insgesamt sind diese Anlagen gezwungen, zu Marktpreisen zu verkaufen, was tendenziell zu einer Senkung der Marktpreise führen kann, insbesondere in Zeiten hoher erneuerbarer Einspeisung. Langfristig wird dies die Volatilität der Märkte weiter erhöhen.

4. Netzengpassmanagement

Mit dem steigenden Anteil erneuerbarer Energien wachsen auch die Herausforderungen im Netzengpassmanagement. Erneuerbare Energien werden oft an geografisch isolierten Standorten erzeugt, was zu Kapazitätsengpässen im Übertragungsnetz führen kann.

Netzengpässe und volatile Preise verstärken darüber hinaus die Notwendigkeit für Speicherlösungen und flexible Kraftwerke. Der Einsatz von Batteriespeichern, flexible Laststeuerungen und das Lastmanagement bei Industriekunden werden dadurch an Bedeutung gewinnen. In der Energiebeschaffung werden Energiehändler darauf angewiesen sein, solche Flexibilitäten in ihr Portfolio aufzunehmen, um gezielt auf Netzengpässe reagieren zu können.

Die größten Needs: Skalierbarkeit, Automatisierung und Integrationsfähigkeit

Um auf die genannten Herausforderungen zu reagieren, müssen Unternehmen und Energiehändler ihre IT-Infrastruktur weiterentwickeln und in digitale Lösungen investieren, die auf drei zentrale Anforderungen ausgerichtet sind:

  • Skalierbarkeit
  • Automatisierung
  • Integrationsfähigkeit
1. Skalierbarkeit

Die Fähigkeit zur flexiblen Anpassung der IT-Lösungen an den Bedarf ist entscheidend, um auf die zunehmende Komplexität des Energiemarkts zu reagieren. Die Energiewirtschaft wandelt sich durch den verstärkten Einsatz dezentraler, oft sehr kleiner Erzeugungsanlagen. Diese Vielzahl an Erzeugungsquellen bringt eine hohe Komplexität mit sich und erfordert die Fähigkeit, den Betrieb und die Verwaltung der Anlagen mitwachsen zu lassen. Damit diese effizient am Markt teilnehmen können, müssen sie darüber häufig gebündelt und aggregiert werden. Diese Bündelung ist notwendig, um auch kleine Anlagen für den Handel attraktiv zu machen und sie auf den Strommärkten wettbewerbsfähig einzusetzen.

2. Automatisierung

Automatisierung ist der Schlüssel, um die Effizienz in der Energiebeschaffung und im Handel zu steigern. Durch den Einsatz von Algorithmen, Künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen können Handelsprozesse optimiert und Entscheidungen in Echtzeit getroffen werden. Besonders vor dem Hintergrund steigender Handelsvolumina ist dies unerlässlich. Automatisierungslösungen ermöglichen eine schnellere Verarbeitung großer Datenmengen, was zu präziseren Handelsentscheidungen führt und menschliche Fehlerquellen reduziert. Insbesondere der Einsatz von Robotic Process Automation (RPA) und KI verspricht eine effiziente Automatisierung von Standardprozessen.

3. Integrationsfähigkeit

Die Integration von Systemen und Datenquellen ist ein weiterer entscheidender Erfolgsfaktor. Unternehmen müssen in der Lage sein, die Daten aus verschiedenen Bereichen wie Wetterprognosen, Netzkapazitäten und Verbrauchsverhalten in ihre Handels- und Beschaffungsprozesse einzubinden. Spezialisierte Lösungen zur nahtlosen Integration dieser Datenquellen sind dazu zwingend erforderlich, um so eine präzisere Steuerung und Optimierung der Prozesse gewährleisten. Auch die Verknüpfung mit Handels- und Energiemärkten sowie die Zusammenarbeit mit Drittanbietern und Dienstleistern erfordert eine hohe Integrationsfähigkeit, um die genutzten Systeme möglichst offen und flexibel für die Anbindung zu gestalten.

Fazit: Der Energiemarkt der Zukunft – Flexibel, digital und automatisiert

Der Energiemarkt wird in den kommenden Jahren durch tiefgreifende Veränderungen geprägt sein, die auf den Ausbau erneuerbarer Energien, die steigende Volatilität der Strompreise und regulatorische Veränderungen zurückzuführen sind. Energieunternehmen müssen ihre Prozesse automatisieren, um flexibel und effizient auf diese neuen Herausforderungen reagieren zu können. IT-Dienstleister können dabei eine zentrale Unterstützung bieten, indem sie digitale Lösungen bereitstellen und entwickeln, die auf Skalierbarkeit, Automatisierung und Integrationsfähigkeit setzen. Der Energiehandel wird zunehmend datengesteuert und automatisiert ablaufen, während die Energiebeschaffung flexibler und dynamischer wird. Unternehmen, die diesen Wandel frühzeitig mit den richtigen IT-Strategien angehen, werden im Energiemarkt der Zukunft erfolgreich agieren.

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Bild Niklas Heye

Autor Niklas Heye

Niklas Heye ist Consultant in der Business Line Utilities bei adesso. Seine Arbeitsschwerpunkte liegen im Requirements Engineering sowie in den Fokusthemen Energiehandel und Energiebeschaffung. Darüber hinaus beschäftigt er sich intensiv mit dem Einsatz von Data Science und KI in der Energiewirtschaft.

Kategorie:

Branchen

Schlagwörter:

Energiewirtschaft

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