24. März 2022 von Robert von Seggern und Fabienne Mazurkiewicz
Die PKV-App: Eine leere Hülle oder ein nützlicher Begleiter? Eine Analyse von Gesundheits-Apps in der PKV
Status quo?
Apps im Gesundheitswesen sind nicht erst seit der Corona-Pandemie allgegenwärtig. Nahezu jeder private Krankenversicherer bietet seinen Kundinnen und Kunden bereits digitale Anwendungen an, um die jeweiligen Verträge und Anliegen zu verwalten. Um eine Übersicht zu erhalten und Kundenbedürfnisse zu identifizieren, haben wir zu diesem Thema eine Nutzerbefragung durchgeführt. Diese Marktanalyse von 14 gängigen PKV-Apps für Zusatz- und Vollversicherungen ergibt ein einheitliches Stimmungsbild zum Angebot des privaten Versicherungsmarktes: Der Fokus liegt derzeit auf der digitalen Rechnungseinreichung via Foto.
Was PKV-Apps können und was nicht
Fast alle PKV-Apps haben die gleichen Funktionen und sind ähnlich aufgebaut. Aktuell liegt das Hauptaugenmerk der Anwendungen auf der Vereinfachung von einzelne, operativen Prozessen. Im Mittelpunkt steht hier die Abrechnungseinreichung per Foto.
Doch was können die Apps bereits und welche Erweiterungen werden gewünscht?
I. Foto-Einreichung
Der Schwerpunkt der Apps liegt derzeit auf der Abrechnungseinreichung per Foto-Upload. Es gibt keine App, die dieses Feature nicht anbietet. Diese Funktion vereinfacht der Versicherten bzw. dem Versicherten das Einreichen ihrer bzw. seiner Belege deutlich. Zudem werden Versandkosten gespart. Leider nutzt nur eine Handvoll Versicherer hierfür eine KI-Unterstützung zur Prüfung auf Plausibilität des Dokumentes. Deshalb kommt es bei den Versicherungsunternehmen zu Problemen beim Auswerten des eingereichten Dokumentes. Als Folge müssen Informationen zusätzlich manuell eingeholt werden. Dadurch ist keine automatisierte Dunkelverarbeitung möglich und der Abrechnungsprozess wird für das Versicherungsunternehmen aufwändiger als über den analogen Einreichungsweg.
II. Bearbeitungsstand
Zwar nutzen die Apps oft ein Bearbeitungs-Tracking, um Kundinnen und Kunden im Abrechnungsprozess mitzunehmen, jedoch gibt es noch Nachholbedarf bei der Statusaktualisierung. Eine Bestätigung eines erfolgreichen Uploads allein genügt den Kundinnen und Kunden nicht.
Auch sind die Bezeichnungen der Abrechnungen nichtssagend. Mehr als ein Einreichungsdatum und ein allgemeingültiger Dokumentenname ist zur Benennung nicht möglich. Somit ist für Kundinnen und Kunden nicht ersichtlich, was sich hinter dieser Abrechnung verbirgt. Zur Belegeinreichung gibt es jedoch klare Kundenwünsche: Das Tracken des Bearbeitungsstandes vom Einreichen bis zur Auszahlung, eine Filterfunktion der Dokumente und das Umbenennen der einzelnen Abrechnungen sind die meistgenannten Aspekte. Mit diesen Features wäre eine klare Unterscheidung der einzelnen Positionen möglich und die Übersichtlichkeit deutlich erhöht, ohne jede Abrechnung öffnen zu müssen.
III. Vertragsübersicht
In den meistens Apps sind alle abgeschlossenen Verträge bei einer Versicherung ersichtlich. Jedoch werden sie nicht verständlich dargestellt. Gewünscht wird eine einfach und kurz gehaltene Erläuterung, was und in welcher Höhe versichert ist.
IV. Kontaktaufnahme mit dem Versicherungsunternehmen
Per App wird den Kundinnen und Kunden der Kontakt mit der Versicherung angeboten leider jedoch meistens nur per Telefon. Ein Chat innerhalb der App oder eine direkte Kontaktaufnahme per Mail mit Speicherung der Nachrichten in der App ist eine gewünschte Verbesserung. Ein Medienbruch könnte auf diese Weise vermieden werden.
Damit sind wir bei den meisten Apps bereits am Ende der Funktionalitäten angekommen. Es gibt noch viel Luft nach oben und enorme Potentiale und Anknüpfungspunkte, die als Basis für eine Weiterentwicklung dienen können.
Was sich Kundinnen und Kunden darüber hinaus noch wünschen
Kundinnen und Kunden wünschen sich ihre personenbezogenen Daten selbstständig und vor allem ohne Medienbrüche ändern zu können. Leider ist dies derzeit nicht oder nur durch eine Weiterleitung in ein Online-Kundenportal beziehungsweise Call-Center möglich. E-Mail-Adresse oder Telefonnummer sollten über die App änderbar sein. Auf die wohl wichtigste Frage von Kundinnen und Kunden nämlich: „Was ist eigentlich versichert?“ geben die meisten Apps leider keine oder nur eine unzureichende Antwort. Eine laienverständliche Darstellung der Tarifinhalte wäre jedoch wünschenswert.
Darüber hinaus sind die derzeitigen Anwendungen wenig flexibel und eine Umstellung der Sprache oder gar eine barrierefreie Bedienung sind nicht zu finden. Dies sind heutzutage Funktionen, die standardmäßig vorhanden sein sollten.
Alle Befragten wünschen sich eine Erinnerungsfunktion an Vorsorgetermine sowie Impfungen. Dies kann zum Beispiel durch eine Anbindung der elektronischen Patientenakte (ePA) an die App umgesetzt werden. Auch eine Buchung von Arztterminen über die App wäre wünschenswert. Eine Dokumentation des Kontakts mit der Versicherung wird ebenfalls oft genannt. Wichtig hierfür ist, dass der Kontakt über ein zentrales Medium stattfindet: die App.
Warum sollten die Versicherungsunternehmen in ihre Apps investieren?
Die Pflege von technisch modernen Apps bringt auch viele Vorteile für die Versicherungen mit sich:
- Die Anbindung der Apps an die Bestandssysteme führt zur Automatisierung einfacher Änderungen, wie beispielsweise der E-Mail-Adresse oder Telefonnummer.
- Die konsequente Nutzung der Apps durch die Versicherten reduziert die telefonischen Rückfragen.
- Viele Versicherte nutzen die App ihrer PKV noch gar nicht, weil der Nutzen zu gering für sie ist. Durch eine leistungsstarke App werden viele Kosten eingespart. Als Beispiele sind hier die Belegeinreichung sowie automatisierte Bearbeitungsprozesse zu nennen.
- Versicherungsangebote könne in der App beworben werden. Viele Versicherer haben Angebote unter anderem Blogs oder Podcasts die hier angebunden werden könnten.
All diese Möglichkeiten sparen dem Versicherungsunternehmen auf Dauer Kosten ein. Zusätzlich kann durch die Angebotsvielfalt in der Versicherungs-App eine Kundenbindung beziehungsweise Empfehlungsbereitschaft geschaffen werden.
Ausblick
Die Umfrage hat ergeben, dass Kundinnen und Kunden ein One-App-Konzept bevorzugen und nicht die Verwendung von mehreren Apps für einzelne Funktionen. Über diese App sollen nicht nur Dokumente verwaltet und eingereicht werden können. Vielmehr sollte die App individuell auf die Bedürfnisse von Kundinnen und Kunden zugeschnitten sein. Auch die Verbindung der App mit der elektronischen Patientenakte (ePA) wäre konsequent und zeitgemäß. Die Daten (unter anderem Befunde) könnten unter anderem von den Kundinnen und Kunden zur Erinnerung an Vorsorgen und Impfungen genutzt werden. Darüber hinaus sind Anbindungen weiterer Services denkbar – etwa zur Terminbuchung beim Arzt, zu bestimmten News oder zum Versicherungstarif.
Fazit
Der PKV-Markt bietet ein weitreichendes Angebot an digitalen Angeboten für Kundinnen und Kunden, dennoch steht dieses dem der GKV noch nach. Durch die dortige Einführung der elektronischen Patientenakte wurde hier ein zentrales Mittel des Austausches geschaffen. Der PKV-Markt hingegen bietet eine Vielzahl an Apps. Dies führt zu Unübersichtlichkeit und ungenutzten Potentialen. Genau hier sollten die PKV nun ansetzen. Zukünftig sollten diverse Services gebündelt und an Kundinnen und Kunden und deren Bedürfnisse angepasst werden. Kundinnen und Kunden können dann selbst entscheiden, welche Informationen für sie relevant sind und welche Services sie nutzen wollen.
Das Ergebnis unserer Analyse: Es gibt derzeit keine vollumfängliche App, sondern Insellösungen. Durch die Vielzahl an Apps auf dem Markt, teilweise sogar pro Versicherer, herrscht ein Überangebot, das kaum genutzt wird. Außerdem führt es zu Medienbrüchen, beispielsweise zu einem Wechsel zwischen App und einem Online-Kundenportal. Ziel der Versicherungsunternehmen muss es sein, dies zu ändern und ihre App als Gesundheitsmanager der Versicherten zu etablieren.
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