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Das Baugewerbe in Deutschland mit seinen rund zwei Millionen Beschäftigten und 330.000 Betrieben, ist einer der bedeutendsten Wirtschaftssektoren in Deutschland. Da gibt es einem natürlich zu denken, dass das Baugewerbe gegenüber nahezu allen anderen Branchen bei der Nutzung digitaler Technologien und Prozesse deutlich hinterherhinkt. Während die Gesamtwirtschaft in Deutschland – laut einer Studie von McKinsey – in den letzten 15 Jahren ein durchschnittliches Produktivitätswachstum von jährlich 1,32 Prozent verzeichnet, betrugt der jährliche Produktivitätszuwachs in der Baubranche gerade einmal 0,26 Prozent.

Lange Zeit hat die Bauindustrie an tradierten Planungs- und Erstellungsprozessen festgehalten. IT-Systeme wurden bestenfalls eingesetzt, um klassische und manuelle Methoden 1:1 in einer Software nachzubilden. CAD lässt grüßen! Hier setzt aber nun endlich ein Umdenken ein. Mittlerweile sind die meisten Bauunternehmen davon überzeugt, dass digitale Innovationen nicht nur eine Option für sie sind, sondern auch eine zwingende Notwendigkeit. Laut einer Studie des Deutschen Industrie- und Handelskammertags stimmen 93 Prozent der Baufirmen zu, dass die Digitalisierung die Gesamtheit ihrer Prozesse beeinflussen wird. Das Bewusstsein, dass der Megatrend „Digitalisierung“ zu einer umfassenden Neuausrichtung vieler Abläufe in der Baubranche führen muss, ist also vorhanden. Woran es noch hapert, ist die Umsetzung.

Welche Veränderungen sind aber nun in den nächsten Jahren zu erwarten?

Auf der einen Seite kann der Einsatz digitaler Innovationen direkt auf der Baustelle zu deutlich produktiveren Herstellungsprozessen führen. So sind bereits Roboter in der Erprobung, die Mauern Stein für Stein hochziehen können. Der 3D-Druck von Mauerwerk und Verschalungen ist bereits in der Praxis angekommen. Auf der Baustelle eingesetzte Maschinen – man denke an Bagger oder Raupen – sollen zukünftig über GPS gesteuert autonomer und effizienter werden.

Darüber hinaus liegt ein enormes Potenzial in der IT-gestützten Um- und Neugestaltung der Bauplanungs- und Steuerungsprozesse. Gerade für Deutschland mit seiner extrem fragmentierten Bauindustrie – nicht selten sind mehr als 100 Sub-Unternehmen an einem Bauvorhaben beteiligt – kann dies gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Schließlich geht es darum, die Abstimmung und Zusammenarbeit aller an einem Bauvorhaben beteiligten Unternehmen transparenter und interaktiver zu machen. Alle Baubeteiligten müssen auf die für sie relevanten Informationen jederzeit zugreifen können. Fehlplanungen, Abstimmungsprobleme und daraus resultierende kostspielige Baumängel sollen auf diese Weise verhindert werden.

Das Stichwort für die vernetzte Planung und Durchführung von Bauvorhaben lautet „Building Information Modeling“ oder kurz „BIM“. Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) ist ein wichtiger Treiber der Digitalisierung der Baubranche in Deutschland und definiert BIM folgendermaßen:

„Building Information Modeling bezeichnet eine kooperative Arbeitsmethodik, mit der auf der Grundlage digitaler Modelle eines Bauwerks die für seinen Lebenszyklus relevanten Informationen und Daten konsistent erfasst, verwaltet und in einer transparenten Kommunikation zwischen den Beteiligten ausgetauscht und für die weitere Bearbeitung übergeben werden.“

Im Zentrum von BIM steht das 3D-Modell des geplanten Bauwerks. BIM fordert, dass dieses Modell frühzeitig allen beteiligten Unternehmen softwaretechnisch zugänglich ist, so dass diese es im Rahmen ihres Gewerks weiterentwickeln und gegebenenfalls um zusätzliche Informationen anreichern können. Dies ist heute leider oft nicht der Fall. Viele IT-Systeme für die Bauplanung arbeiten mit proprietären Datenformaten und zwingen die Anwendenden in ihren Mikrokosmos. Bei der Nutzung der Systeme anderer Hersteller kommt es dann zu Inkompatibilitäten, die nicht selten zu verspäteten oder falschen Informationen und letztlich zu teuren Verzögerungen und Fehlleistungen führen.

BIM – manchmal auch openBIM – sieht hier die Nutzung eines herstellerneutralen Datenaustauschformats für das 3D-Modell vor. Hier ist an erster Stelle Industry Foundation Classes (IFC) zu nennen. IFC wird bereits von vielen gängigen Softwaresystemen als Format für die Speicherung und den Austausch von 3D-Modell-Informationen unterstützt und ist in seiner aktuellen Version IFC4 offizieller ISO-Standard.

Mehr als ein einheitliches 3D-Modell

BIM geht aber weit über die Nutzung eines einheitlichen 3D-Modells hinaus. Bauprojekte, die nach BIM durchgeführt werden, ergänzen das 3D-Modell um die zeitliche Planung der Bauaktivitäten. Das 3D-Modell wird – erweitert um die Dimension Zeit – um 4D-Modell, das beispielsweise interaktive Simulationen der Baudurchführung möglich macht. Fügt man dem Modell als weitere Dimension Mengen- und Kosteninformationen hinzu, spricht BIM von einem 5D-Modell, das dann eine Prognose der Kostenentwicklung über die gesamte Projektlaufzeit ermöglicht. Weitere BIM-Dimensionen – 6D und 7D – stehen für die Planung der Nachhaltigkeit sowie für Informationen zur Betriebsphase (Facility Management).

Für die vorbereitende Planung und Überwachung des BIM-Prozesses ist der sogenannte BIM-Manager zuständig. Er legt die konkrete Ausgestaltung des BIM-Prozesses für das Bauprojekt fest und definiert, welche Fachplaner welche 3D-Modelle zu erstellen haben. Grundlage für seine Festlegungen sind die in den Auftraggeber-Informationsanforderungen (AIA) vorgegebenen Anforderungen des Bauherrn zum BIM-Prozess. BIM kennt weiterhin die Rolle des BIM-Koordinators, der sich um die IT-technische Umsetzung der BIM-Ziele kümmert. Er nutzt dazu in der Regel eine digitale Plattform – das sogenannte Common Data Environment (CDE) – für die Ablage und den Austausch der Informationen und Modelle zum Bauprojekt.

Was durch BIM bereits erreicht wurde

In Deutschland wird die Einführung von BIM ganz wesentlich von öffentlichen Auftraggebern gefördert und vorangetrieben. So hat das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur den „Stufenplan Digitales Planen und Bauen“ veröffentlicht. Der Stufenplan sieht vor, dass alle Bauprojekte im Zuständigkeitsbereich des BMVI ab 2020 nach BIM durchgeführt werden und einen definierten Mindeststandard erfüllen müssen. Ein wesentlicher Punkt dieses Standards ist der systemübergreifende Datenaustausch zwischen den Projektpartnern eines Bauvorhabens mittels herstellerneutraler Datenformate. Dazu ist eine gemeinsame Datenumgebung zur organisierten Aufbewahrung und zum verlustfreien Austausch der im Planungs- und Bauprozess erzeugten Daten zu schaffen, auf die alle Beteiligten zugreifen können.

Ein weiterer Meilenstein war 2019 die Gründung des „Nationalen BIM-Kompetenzzentrums des Bundes“. Mit der Gründung beauftragt wurde die planen bauen 4.0 GmbH. Im Gründungsauftrag werden folgende Ziele genannt:

  • Entwicklung und Umsetzung einer einheitlichen Normungs- und Open-BIM-Strategie.
  • Erarbeitung von Anforderungen und Maßstäben für Bauvorhaben.
  • Aufstellung von Aus- und Fortbildungskonzepten.
  • Einrichtung und inhaltliche Pflege eines BIM-Portals mit Datenbank, Prüfwerkzeugen und BIM-Objekten.
  • Entwicklung einer Strategie für BIM im Betrieb von Bundesliegenschaften.
  • Entwicklung einer Strategie für die nächsten Schritte nach 2020.

Die Entwicklung des BIM-Portals ist eines von mehreren Projekten, die adesso aktuell zusammen mit planen bauen 4.0 durchführt. Darauf werde ich im zweiten Teil meines Blog-Beitrags eingehen.

Ihr möchtet mehr über spannende Themen aus der adesso-Welt erfahren? Dann werft auch einen Blick in unsere bisher erschienenen Blog-Beiträge.

Bild Uwe Lutter

Autor Uwe Lutter

Uwe Lutter ist Competence Center Leiter bei adesso in Hamburg. Er hat langjährige Erfahrungen in der Softwareentwicklung und beschäftigt sich seit einiger Zeit im Rahmen von Softwareentwicklungsprojekten mit der BIM-Thematik.

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