31. März 2020 von Marcus Peters
Der Arbeitsplatz als strategisches Element, Teil 1
Bestandsaufnahme zur Digitalisierung
Die Worte „Digitalisierung“, „Transformation“ und „Veränderung“ haben mittlerweile gute Chancen, auf die Liste der Buzzwords zu kommen. Man kann aktuell davon ausgehen, dass nahezu jeder Unternehmenslenkende mit dem Thema IT auf verschiedene Weisen in Berührung gekommen ist. Häufig ist das Verständnis für die Themen rund um die Zusammenführung von Informationstechnologie mit unserer Realität äußerst verschieden. In einer vom BDI in Auftrag gegebenen Studie hat das Beratungshaus Roland Berger Interessantes festgestellt. Zum Beispiel wurde in dieser Studie die Eigenwahrnehmung der digitalen Reife von 300 Managern deutscher Unternehmen erfragt, die grade mal von rund 30 Prozent der Befragten als „hoch“ beziehungsweise „sehr hoch“ eingeschätzt wurde, wie die folgende Abbildung zeigt.
Zudem zeigt die Studie eine recht beachtliche Lücke zwischen der eingeschätzten eigenen Reife und den möglichen Chancen der Digitalisierung. Die große Herausforderung für die Unternehmen besteht darin, diese Lücke zu erkennen und daraus Handlungsbedarf abzuleiten. Hier muss in alle Richtungen gedacht und das eigene Geschäftsmodell sowie der Kundenzugang in Gänze überprüft werden. Eine zentrale Überlegung hierbei sollte nicht die Überraschung sein, dass vielzitierte Unternehmen in diesem Kontext - etwa Airbnb und Uber - einen starken Wettbewerb in ihren Branchen darstellen, sondern wie sie entstanden sind.
In beiden Fällen kamen die Gründer nicht aus der Branche. Vielmehr stellten sie die richtigen Fragen aus der Perspektive der Kunden! Und die spannende Frage ist: Warum wurden diese Ideen nicht von Hoteliers beziehungsweise einem Taxiunternehmer entwickelt?
Natürlich kann man hier von Zufall sprechen, sieht man sich jedoch die Liste von Projekten mit einer Beteiligung von Google an, fällt der Schluss sehr leicht, dass Unternehmen mit einem Serviceansatz eine ernstzunehmende Bedrohung für deutsche Unternehmen darstellen.
Bei aller Dringlichkeit ist natürlich keine Panik angesagt, sondern planvolles und strategisches Handeln gefordert. Jedes Unternehmen sollte eine auf den eigenen Kontext zugeschnittene digitale Agenda entwickeln und daraus dann eine Strategie zur Umsetzung ableiten. Eine hilfreiche Leitplanke bei der Visionsentwicklung ist die Antwort auf die Frage: „Wo können wir in unserem Unternehmen bei der Transformation ansetzen?“. Insbesondere drei Handlungsfelder bieten hier, in Anlehnung an eine Zusammenarbeit von Capgemini und dem Massachusetts Institut of Technology in Bosten, spannende Ansatzpunkte.
Transformation des Kundenerlebnisses
Hier geht es darum, das Erlebnis von Kunden mit dem jeweiligen Unternehmen zu hinterfragen. An welchen Stellen kommen Kunden mit dem Unternehmen in Berührung? Wie erfolgt die Interaktion mit Kunden und auf welchen Kanälen wird kommuniziert? Besonders wichtig ist die Klärung der Frage, wie Kunden das Unternehmen erleben, wenn mal etwas falsch läuft. Auf welche Weise können Kunden Kontakt aufnehmen und wie einfach sind die nachgelagerten Prozesse für Kunden? Kurz gesagt: Werden Kunden durch den Ablauf von Reklamationen oder ähnlichem derart unterstützt, dass sie auch weiter das Gefühl haben, den richtigen Partner beziehungsweise Lieferanten gefunden zu haben?
Transformation des Geschäftsmodells
Die oben genannten Beispiele zeigen, dass das Überdenken und kritische Hinterfragen des eigenen Geschäftsmodells erhebliches Potenzial hat. Interessant dabei ist, dass der Produzent unter Umständen von einem geschickten Service Provider, der Produkte über Dienstleistungen veredelt, überholt und in eine passive Rolle gedrängt werden kann. Die sogenannte „Servicification“ ist natürlich nicht der einzige Ansatz, bietet jedoch ein schönes Gedankenspiel mit dem sich gut starten lässt, um so alle Bereiche des Angebotes auf den Prüfstein zu legen. Die zentrale Frage lautet hier: Wie kann in den nächsten fünf bis zehn Jahren ein Kundennutzen gestiftet werden?
Transformation der Organisation und der Prozesse
Ein weiteres wichtiges Thema für Unternehmen ist, wie die Organisation und die Mitarbeitenden mitgenommen werden müssen, um effektiver arbeiten zu können. Dabei geht es allerdings ausdrücklich nicht um eine tayloristische Ausrichtung der Arbeitsweise, sondern vielmehr um das Schaffen einer Arbeitsatmosphäre, die es zum Ziel hat, Hindernisse aus dem Weg zu räumen und geeignete Umgebungen bereitstellt. Genau hier setzt das Thema „Digital Workplace“ an.
Einordnung des Digitalen Arbeitsplatzes
Der Begriff „digitaler Arbeitsplatz“ wird häufig synonym mit „Arbeitsplatz der Zukunft“ und den jeweils englischen Übersetzungen verwendet. Die folgenden Definitionen helfen dabei, den Begriff einzugrenzen:
- The Digital Workplace is where people, processes, technology, and the company converge to improve agility, productivity, and engagement.
- The Digital Workplace enables new, more effective ways of working; raises employee engagement and agility; and exploits consumer-oriented styles and technologies.
Die genannten Definitionen zeigen im Wesentlichen drei Aspekte des digitalen Arbeitsplatzes. Auf der einen Seite stellen sie moderne Führungsqualitäten in den Vordergrund, die Themen, wie unternehmerische Vision, das vermehrte Auftreten von Arbeiten in Projekten und Teams sowie die Gestaltung der Mitarbeiterbindung adressieren. Eng verzahnt damit, ist die gelebte Unternehmens-, Führungs- und Fehlerkultur in der Organisation. Beide Punkte zahlen sehr stark auf die Motivation der Mitarbeitenden und ihre Bindung zum Unternehmen ein. Der dritte Aspekt meint den richtigen Einsatz aktueller Technologien. Alle Beteiligten erwarten, dass sie bei der Arbeit moderne Werkzeuge und integrierte Systeme vorfinden, die sich mit der aus dem privaten Umfeld bekannten leichtgewichtigen Haptik bedienen lassen. Diese Einordnung zur Führung, Kultur und Technologie wiederum positioniert das Thema des digitalen Arbeitsplatzes im Gesamtangang zu den Aktivitäten der Transformation als strategisches Element der Digitalisierung.
Chefsache: Führung und Kultur
Die kaufmännische Ausrichtung der Aktivitäten im Unternehmen ist legitim und sorgt für die Absicherung der Arbeitsplätze der Mitarbeitenden als gesellschaftlichen Auftrag der Wirtschaft. Darüber hinaus ist das Unternehmenswachstum ein Grundsatz des wirtschaftlichen Handelns und ist damit ebenfalls eine Legitimierung für den Fokus der Wirtschaftlichkeit.
Während zu früheren Zeiten bei der Gestaltung des Arbeitsplatzes nahezu einzig und allein die Optimierung des Arbeitsablaufs an sich im Zentrum stand, ist dies in den meisten Fällen nicht mehr zeitgemäß. Es herrscht in Deutschland aktuell kein flächendeckender Fachkräftemangel in alle Berufen. Allerdings müssen Unternehmenslenkende, in Zeiten, in denen die Positionierung der Arbeitgebermarke über Portale wie Kununu transparent wird, dafür sorgen, dass die Mitarbeitenden entsprechend einbezogen werden.
In die Basis einer heutigen Führungskräfteausbildung fließen typischer Weise auch Elemente der Motivationstheorien ein. Hier werden häufig das Handeln der Mitarbeitenden sowie die entsprechend ausgerichteten Führungsansätze - etwa das „situative Führen“ und „Fördern und Fordern“ anhand der Maslow‘schen Bedürfnispyramide - eingeordnet und reflektiert.
Insgesamt liegt der Schluss nahe, dass die Leistungsbereitschaft eines Mitarbeitenden über die vertragliche Definition seiner Rolle hinaus sehr eng mit den in den oben behandelten Ansätzen zu Motivation und Führung steht. Und genau hier setzt indirekt die kaufmännische Motivation für den digitalen Arbeitsplatz an: Durch das Schaffen einer inspirierenden Umgebung leisten die Mitarbeitenden eine Beitrag über ihre Rollenbeschreibung hinaus, sind mit dem Unternehmen verbunden und bringen sich ein. Das wiederum begünstigt die Arbeitsergebnisse.
In diesem Zusammenhang wird auch der Misserfolg von Vorhaben deutlich, bei denen zum Beispiel das neue Intranet als Informationsdrehscheibe oder die Einführung einer Kollaborationsplattform im Wesentlichen nur über das Ausrollen eines technischen Systems realisiert wird, ohne die eintretenden Änderungen in der Organisation geeignet zu moderieren. Sie scheitern häufig, weil keine Arbeitsanweisung der Welt echte Zusammenarbeit und Engagement tatsächlich einfordern kann.
Wie geht es weiter?
Im zweiten Teil meines Beitrags gehe ich stärker auf die technologische Komponente ein. Ich erkläre euch,
wieso der Digital Workplace vom richtigen Einsatz und der Durchdringung von Technologie abhängt. Zudem erfahrt ihr, welche Ansätze Microsoft in diesem Kontext bereithält.
Ihr möchtet erfahren, wie unsere Expertinnen und Experten euch in diesem Kontext unterstützen können? Dann werft doch auch einen Blick auf unsere Webseite.
Zum zweiten Teil „Der Arbeitsplatz als strategisches Element“
Dieser Beitrag ist zuvor im Windows Developer 6.17 erschienen.
Abbildungsnachweis:
https://timvandevaal.com/printables/science/maslows-hierarchy-of-need/
http://bdi.eu/media/user_upload/Digitale_Transformation.pdf