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Chancen und Herausforderungen für die Versicherungsbranche

Als Mitte der 80er Jahre der Kultfilm "Zurück in die Zukunft" in die Kinos kam, zeichnete er ein faszinierendes Zukunftsbild: Im Jahr 2015 sollten fliegende Autos, sekundengenaue Wettervorhersagen und Hoverboards Teil einer futuristischen Gesellschaft sein.

Fast ein Jahrzehnt später ist klar, dass diese Visionen weitgehend Träume geblieben sind. Doch nicht nur in den Bereichen Mobilität und Meteorologie hinkt die reale Entwicklung den filmischen Prophezeiungen hinterher, auch die Digitalisierung verschiedener Lebensbereiche hat noch nicht den von vielen erhofften Stand erreicht.

Trotz dieser Diskrepanz zwischen Fiktion und Realität schreitet die Digitalisierung in allen Lebensbereichen voran und eröffnet sowohl für Konsumentinnen und Konsumenten als auch für Unternehmen neue Chancen und Herausforderungen. Ein besonders prägnantes Beispiel dafür ist das „Framework for Financial Data Access“ (FIDA), der von der EU-Kommission vorgeschlagene Rahmen, um den Zugang zu und die Nutzung von Finanzdaten zu vereinfachen. FIDA setzt neue Standards für Datenschutz und Transparenz und hat das Potenzial, die Transformation der europäischen Versicherungswirtschaft nachhaltig zu beschleunigen.

Open Insurance – Ein Konzept wird Realität

Als Teilbereich der übergeordneten Konzepte Open Finance und Open Data setzt Open Insurance auf Kundenzentrierung, Offenheit und Standardisierung, um Innovationen und bessere Dienstleistungen im Versicherungssektor zu fördern. Ähnlich wie Open Banking unter PSD2, das den Datenaustausch zwischen Banken und Dritten regelt, soll Open Insurance den Austausch von Versicherungsdaten erleichtern. Open Insurance ermöglicht es den Nutzerinnen und Nutzern, die Kontrolle über ihre Daten zu behalten und diese mit Drittanbietern zu teilen. Dadurch sollen neue, auf die Bedürfnisse der Kundinnen und Kunden zugeschnittene Versicherungsprodukte und -dienstleistungen entstehen und die Effizienz und Transparenz in der Branche erhöht werden. Open Insurance steht allerdings noch am Anfang seiner Entwicklung. Zwar gibt es erste Ansätze im institutionellen Datentransfer zwischen Versicherern und ihren Partnern (Digitale Rentenübersicht), aber ein kundenzentrierter Datenaustausch, vergleichbar mit Open Banking, und ein entsprechender regulatorischer Rahmen fehlen bislang. Ziel von Open Insurance ist es, einen solchen Rahmen zu schaffen, der Innovationen und die Entstehung neuer Geschäftsmodelle fördert, indem er auf standardisierte Kommunikation mittels APIs (Application Programming Interfaces) und Prozessstandards setzt.

Die Rolle von FIDA – Treiber für Open Insurance?

Im Zuge der digitalen Transformation des Finanzsektors spielt der von der Europäischen Kommission initiierte Verordnungsvorschlag „Framework for Financial Data Access“ eine Schlüsselrolle für die Entwicklung und Umsetzung von Open Insurance. Mit FIDA soll ein einheitlicher Rechtsrahmen geschaffen werden, der den sicheren und effizienten Zugang und die Nutzung von Finanzdaten über Branchengrenzen hinweg ermöglicht. Für die Versicherungswirtschaft bedeutet dies einen wichtigen Schritt hin zu einem offeneren, standardisierten und kundenorientierteren Datenaustausch.

Die Einführung von FIDA könnte die Entwicklung neuer, datenbasierter Versicherungsprodukte beschleunigen. Versicherer haben nun die Möglichkeit, Risiken genauer einzuschätzen und maßgeschneiderte Angebote zu erstellen, die den individuellen Bedürfnissen und Lebenssituationen ihrer Kundinnen und Kunden entsprechen. Darüber hinaus können Versicherungsprodukte nahtlos in umfassendere Finanzdienstleistungen integriert werden, was zu einem umfassenderen und kundenorientierteren Service führt. Durch die Schaffung eines harmonisierten Rechtsrahmens sollen Innovationen in der EU gezielt gefördert werden. Dieser einheitliche Rahmen soll sicherstellen, dass alle Marktteilnehmer - von etablierten Banken und Versicherungen bis hin zu Start-ups und FinTechs - gleiche Zugangschancen zu Finanzdaten haben.


Abbildung 1: Ziele der FIDA-Verordnung

Rechte und Pflichten für Versicherer im Sinne von FIDA

Im Rahmen des Gesetzgebungsprozesses zur FIDA-Verordnung in der EU ist mit einem Inkrafttreten der Regelung ab 2025 zu rechnen, wobei die Europawahlen im Juni 2024 noch zu Verzögerungen führen könnten. Für die Endkunden wird die Neuerung voraussichtlich im Laufe des Jahres 2026 spürbar werden.

Die FIDA-Verordnung könnte die Spielregeln für Versicherungsunternehmen grundlegend verändern. Sie legt feste Standards für die Datenbereitstellung fest, nicht nur für Dateninhaber (also Versicherer), sondern auch für externe Dritte (Datennutzer). Was bisher freiwillig war, wird verpflichtend. Der standardisierte Datenaustausch über Branchengrenzen hinweg wird damit zur Pflicht.

  • Stärkung der Kundenautonomie: Versicherer müssen ein Dashboard anbieten, über das Kundinnen und Kunden ihren Datenzugriff überwachen und verwalten können, ähnlich den PSD2-Mechanismen im Online-Banking.
  • Branchenübergreifende Zusammenarbeit: Innerhalb von 18 Monaten nach Inkrafttreten der Verordnung ist die Mitgliedschaft in einem oder mehreren Finanzdatenaustauschsystemen verpflichtend, um die Datenlieferung nach festgelegten Standards zu gewährleisten.
  • Monetarisierungsmöglichkeiten: Versicherungsunternehmen können für API-Zugriffe eine Aufwandsentschädigung verlangen, die eine neue Einnahmequelle darstellen kann.
  • Doppelrolle nutzen: Als Dateneigentümer sind Versicherer nicht nur Datenlieferanten, sondern können auch als Datennutzer auftreten, um neue, kundenorientierte Mehrwerte zu schaffen, beispielsweise durch Renten-Cockpits auf eigenen digitalen Plattformen.

Diese Veränderungen bringen nicht nur neue Pflichten für Versicherer mit sich, insbesondere im Umgang mit Finanzdaten, sondern eröffnen auch Chancen für Geschäftsmodellinnovationen - unter der Voraussetzung, dass strenge Datenschutzbestimmungen eingehalten werden, Datentransparenz gewährleistet ist und Kundinnen und Kunden die Kontrolle über ihre Daten haben.


Abbildung 2: Rechte und Pflichten für Versicherer

FIDA als Chance zur Neupositionierung

Als "Zurück in die Zukunft" in den 1980er Jahren visionäre Technologien in die nahe Zukunft projizierte, entfachte der Film Phantasien über eine Zeit, in der die Digitalisierung das Leben in einem bis dahin unvorstellbaren Ausmaß durchdringen würde. Fast vier Jahrzehnte später kann die Realität zwar nicht mit allen filmischen Prophezeiungen Schritt halten, ist aber dennoch von der fortschreitenden Digitalisierung geprägt, insbesondere im Finanzsektor.

Das „Framework for Financial Data Access“ (FIDA) markiert einen Meilenstein in dieser Entwicklung. Es steht nicht nur für eine Neupositionierung im Umgang mit Finanzdaten, sondern auch für die Chance, die Versicherungsbranche auf ein neues Niveau von Transparenz, Datenschutz und Kundenorientierung zu heben.

FIDA ist eine Einladung an die Branche, sich von der Realität der Gegenwart zu lösen und den Sprung in eine Zukunft zu wagen, die von Offenheit, Innovation und kundenorientierten Dienstleistungen geprägt ist. Die Analogie zum Kultfilm ist hier besonders treffend: Auch wenn der Sprung in die Zukunft durch fliegende Autos und Hoverboards symbolisiert wurde und diese futuristischen Visionen weitestgehend Utopien geblieben sind. Heute sind es die Digitalisierung und die innovative Nutzung von Daten, die den Fortschritt definieren.

Abschließend lässt sich sagen, dass FIDA weit mehr ist als eine regulatorische Verpflichtung. Es ist eine Chance für die Versicherungsbranche, sich weiterzuentwickeln und mit der digitalen Transformation Schritt zu halten. Die Erwartungen der Kundinnen und Kunden steigen stetig.

FIDA bietet die Möglichkeit, innovative und kundenzentrierte Versicherungslösungen zu schaffen: durch die Integration und Analyse externer Datenquellen wie Gesundheitsdaten, Echtzeit-Fahrzeugdaten oder Immobilieninformationen. Diese Daten ermöglichen maßgeschneiderte Versicherungsprodukte, die genau auf die individuellen Bedürfnisse und Risikoprofile der Kunden zugeschnitten sind. Ökosysteme rund um Smart Homes, vernetzte Fahrzeuge oder "Wearables" bergen ein enormes Potenzial, indem sie nicht nur risikoadäquate Tarifmodelle ermöglichen, sondern durch direkten Datenzugriff auch präventive Dienstleistungen und sofortige Schadenregulierung anbieten.

Solche Lösungen werden nicht nur den Anforderungen der Gegenwart gerecht, sondern schlagen eine Brücke in eine Zukunft, die vielleicht gar nicht so weit entfernt ist, wie in "Zurück in die Zukunft" dargestellt.

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Autor Philipp Mader

Philipp Mader ist als Managing Consultant bei adesso tätig. Er berät Versicherungsunternehmen bei Digitalisierungsvorhaben und setzt IT-Vorhaben innerhalb verschiedener Sparten um. Seinen Arbeitsschwerpunkt bilden hierbei die Business-Analyse, das Testmanagement und die Automatisierung von Prozessen im Versicherungsbereich. Darüber hinaus beschäftigt er sich intensiv mit dem Thema Open Insurance und den möglichen Auswirkungen auf die Versicherungsbranche.

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