3. Dezember 2020 von Dorian Wiese
Blockchain in der öffentlichen Verwaltung – Drei erfolgreiche Beispiele aus Europa
Die Blockchain-Technologie (BCT) ist immer noch eines der am stärksten wachsenden Innovationsgebiete mit bislang viel ungenutztem Potenzial. In diesem Blog-Beitrag möchte ich euch einen Einblick in die BCT und ihre Möglichkeiten zur Nutzung in der infrastrukturellen Basis der öffentlichen Verwaltung geben.
Blockchain kann mehr als Bitcoin: Über das Potenzial und die Herausforderungen der Blockchain-Technologie
Obwohl die Blockchain-Technologie (kurz BCT, deutsch Blockkettentechnologie) ein bemerkenswertes Wachstum vorweisen kann und durch Kryptowährungen weltweit bekannt geworden ist, kennt kaum jemand Nutzungsmöglichkeiten, die über diesen Kontext hinausgehen. Gegenwärtig scheint sie am besten für digitale IDs sowie für die Verwaltung und sichere Aufbewahrung von Aufzeichnungen und Dokumenten geeignet. Und genau diese Punkte gehören zu den Kernaktivitäten der öffentlichen Verwaltung. Eine Blockchain kann dabei einige Vorteile bieten, zum Beispiel eine sichere und überprüfbare Aufzeichnung jeder einzelnen sowie jemals durchgeführten Transaktion. Und dies unabhängig davon, ob es sich um eine Finanztransaktion oder um eine Transaktion eines staatlichen Verfahrens, beispielsweise Aufzeichnung und Zeitstempelung eines öffentliches Dokuments, handelt. Daher hat diese Technologie das Potenzial, die sichere Dokumentenverwaltung im öffentlichen Sektor vorteilhaft zu verändern.
Ich bin der festen Überzeugung, dass das wahre Potenzial dieser Technologie nur realisiert werden kann, wenn man einen Blick über die Grenzen des eigenen Landes hinaus wirft und sich internationale Projekte anschaut, in denen Systeme und Prozesse auf Basis von Blockchains geschaffen wurden. Die meisten Regierungen innerhalb der EU haben aktuell noch Probleme bei der Authentifizierung und Validierung von Dokumenten unterschiedlichster Art – etwa Bescheinigungen oder Lizenzen. Dies ist auch der Fall für persönliche IDs, beispielsweise für den Zugang zu digitalen Diensten, wofür die einzelnen Länder meist Lösungen haben, aber die grenzüberschreitende Interoperabilität weitgehend fehlt. So unter anderem im Fall von Grenzübergängen oder beim polizeilichen Datenaustausch.
Dies sind nur zwei aus einer Reihe von staatlichen Unterstützungsdiensten, die von der Verwendung eines blockkettenbasierten Systems profitieren können. Es lohnt sich also
- zu untersuchen, wie Regierungen von der Nutzung der Blockkettentechnologie als unterstützende Infrastruktur profitieren können und
- einen Rahmen für die Analyse der potentiellen Einsatzgebiete vorzulegen und Herausforderungen für seine Verbreitung und Verwendung im öffentlichen Sektor herauszuarbeiten.
Der Aufbau einer umfassenden Informations- und Kommunikationsinfrastruktur mit der Blockchain-Technologie könnte somit die Basis für ein behördenübergreifendes und sicheres Netzwerk sein und als Grundlage für die behördliche Zusammenarbeit dienen.
In diesem Kontext lässt sich ein Problem feststellen: Es gibt keinen gemeinsamen Standard für solche Funktionalitäten in den verschiedenen BC-Anwendungen. Wenn eine BCT also die Grundlage für eine unterstützende Infrastruktur (innerhalb oder außerhalb der Regierung) dienen soll, ist eine Standardisierung notwendig.
Ein adäquates Verständnis der installierten Grundlagen ist besonders wichtig beim Aufbau einer IT-Infrastruktur in Regierungen (eGovernment), da eine zunehmende Anzahl von Informationssystemen gemeinsam genutzt werden, um Online-Behördendienste und die damit verbundene dynamischen Systeme zu verbinden. Dies erfordert oft sowohl eine Vorwärtsflexibilität als auch eine Rückwärtskompatibilität. Das Verständnis der vorhandenen Basis einer Informationsinfrastruktur ist für ihre Verwaltung von wesentlicher Bedeutung. Nicht zuletzt, um mit der bestehenden Sammlung von Altsystemen umzugehen, die ein Hindernis für Innovationen darstellen können.
Eine begrenzt vorhandene Basis kann Innovationen sowohl anregen als auch hemmen: Auf der einen Seite kann sie die Entwicklung und die Verbreitung neuer Anwendungen fördern, da es nur wenige "technische Bindungen" gibt, wie zum Beispiel Altsysteme. Neue Anwendungen - etwa sichere Dokumentenhandhabung, intelligente Verträge, digitales ID-Management etc. -sollten dabei aber auf einer wachsenden Support-Infrastruktur realisiert werden. Dafür braucht es entsprechende Grundlagen.
Die Sicherheitsmechanismen von BCT ermöglichen dabei die Umsetzung in einer Vielzahl von Prozessen für die Registrierung von Vermögenswerten, die Inventarisierung und den Informationsaustausch. Das gilt für harte Vermögenswerte wie physisches Eigentum, als auch für immaterielle Vermögenswerte wie Wahlstimmen, Patente, Ideen, Reputation, Absichten, Gesundheitsdaten und andere Informationen.
Beispiele aus der Praxis: So wird die Blockchain-Technologie bereits erfolgreich eingesetzt
Anhand von drei konkreten Beispielen möchte ich euch zeigen, wo die Blockchain-Technologie bereits erfolgreich und gewinnbringend eingesetzt wird:
1. Zwei Blockchain-Projekte aus Norwegen
Die norwegische Steuerverwaltung führte 2016 ein kleines Blockchain-Projekt durch, um die Technologie besser zu verstehen und ihr Potenzial zu untersuchen. Das Ziel bestand darin, Dokumente aus Steuererklärungen zu sichern, unveränderlich zu machen und sicher aufzubewahren. Nach einigen Startschwierigkeiten hinsichtlich der rechtlichen Grundlagen zum Datenschutz, konnte das Projekt erfolgreich umgesetzt werden.
Ein weiteres damit in Verbindung stehendes Beispiel aus Norwegen ist die Verwendung von BCT für Landtitel (unter anderem für Urkunden). Diese Blockchain-Anwendung ist besonders nützlich, wenn Eigentumsaufzeichnungen nicht systematisch aufbewahrt werden oder die beteiligten Organisationen nicht komplett vertrauenswürdig sind. Durch die Verwendung einer Blockchain-Anwendung würde jede Transaktion für Grundbesitz registriert werden.
Die Blockchain-Technologie kann auch verwendet werden, um die Rechte des Grundstückseigentümers zu schützen, Streitigkeiten zu schlichten, sicherzustellen, dass das Eigentum korrekt übertragen wird und um zu verhindern dass es zu nicht autorisierten und betrügerischen Änderungen kommt.
2. Das Blockchain-Projekt aus Estland
Als letztes Beispiel soll Estland dienen. Es gilt als eines der führenden Länder der Welt, wenn es um die Digitalisierung im öffentlichen Sektor geht - nicht zuletzt dank des innovativen Fundaments des X-Road-Systems. Das X-Road-System ist ein von der Regierung gefördertes System, das verschiedene, transparent aufgebaute Dienste anbietet. So erhalten Bürgerinnen und Bürgern unter anderem nicht nur einfachen Zugriff auf ihre eigenen Daten, sondern sehen auch, wer sonst noch wann auf ihre Daten zugegriffen hat.
Weiterhin werden Konzepte, Rechtsvorschriften und andere technische Standards mit Hilfe der Technik abgebildet. Diese Technologie wurde von der Firma GuardTime entwickelt und basiert auf Hash-Kernfunktionen – auch Schlüsselelemente in der Blockkettentechnologie.
Estland will noch weiter gehen und die BCT in vollem Umfang übernehmen. Einer der ersten Anwendungsbereiche wird im E-Residency-Programm liegen. Dies ermöglich auch Nicht-Esten den Zugang zu estnischen Dienstleistungen. Dieses Programm ist eine Möglichkeit für Estland, Zielgruppen über die begrenzte Bevölkerung von 1,3 Millionen Menschen hinaus zu vergrößern. Es ist außerdem ein Weg, die zentrale estische E-Government-Technologie zu exportieren. Kaspar Korjus, der geschäftsführende Direktor des E-Residency-Programm, sagt, dass Regierungen dazu beitragen können, das volle Potenzial der Blockchain-Technologie freizusetzen, indem sie einen intelligenten politischen Rahmen schaffen und die Technologien für die Verwaltung fördern.
Und was bedeutet das für uns?
Die ersten Erfolge, die in unseren Nachbarländern erzielt wurden, zeigen, dass die Technologie auch in Deutschland gewinnbringend eingesetzt und als Lösungsansatz für viele Probleme genutzt werden könnte. Sowohl in den Bereichen Datenhaltung, Datensicherheit und Prozessoptimierung gibt es viele Anwendungsfälle, die eine langfristige Entlastung für bestehende Strukturen versprechen und eine bessere Grundlage als bestehende Systeme bieten. Mit der Expertise im Bereich Blockchain, die wir bei adesso in den letzten Jahren aufgebaut haben, wollen wir dabei unterstützen, diese Möglichkeiten zu nutzen und so eine moderne und langfristig nutzbare Basis für die öffentliche Verwaltung zu schaffen.
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