14. September 2021 von Stefan Schmid (Gastbeitrag InsurLab Germany)
Anbieten ist hart – Einkaufen ist härter
Der steinige Weg von Corporate Start-ups in einer sich transformierenden Versicherungsbranche
Wir befinden uns in einer Zeit, in der Disruption von Start-ups keine Gefahr mehr darstellt, sondern als eine Chance und Lösung für die Digitalisierung der Kernprozesse von Versicherern wahrgenommen wird – wir sprechen von Start-ups als Enablern. Gleichzeitig befindet sich die Versicherungsbranche trotz Covid-19-Pandemie in einem Zustand der Zufriedenheit, denn Schadenkosten sind durch weniger Verkehr und Homeoffice niedrig, während die digitalen Herausforderungen durch Lockdown und Remote-Work gefühlt gut gemeistert wurden.
Doch die Branche kommt in Bewegung, von innen rumort es. Innovationsbemühungen werden kleinteiliger, filigraner. Es ist nicht mehr genug, den Status quo zu sichern. Der Blick über den Tellerrand in andere Branchen wie E-Commerce und die Erfolge von Plattformen in Asien und den USA regen Versicherer zum Nachdenken an. Dabei ist klar, dass deutsche Versicherer nicht das nächste Facebook oder Alibaba werden. Aber Kundenwünsche zu kennen und in Echtzeit zu bedienen, damit verbunden die Cloud-Fähigkeit zu erlangen und sich an Ökosystemen und Plattformen zu beteiligen, das möchten Versicherer und dieser Wunsch wird auch formuliert. Wenn nicht vonseiten des Leaderships, dann in vielen internen Runden der Innovations-, IT- und Transformationsabteilungen und manchmal auch in den Fachbereichen. In der Folge entstehen derzeit unzählige innovative Ideen, die aktuell nur selten zur Umsetzung kommen. Wir haben kein Ideenproblem, wir haben ein Umsetzungsproblem.
Versicherer werden dieses Umsetzungsproblem schon bald durchbrechen
Nicht in 2021 oder 2022. Aber wir beobachten schon jetzt mehr umgesetzte Innovationsideen. Wir sehen große und kleine Versicherungsplattformen, die sich anbieten. Wir sehen mehr Lösungen, die nicht mehr maßgeschneidert für einen Versicherer entstehen, sondern mehrmandantenfähig angelegt sind. Wir sehen Ausgründungen zur Neutralisierung von Angeboten einzelner Versicherer. Wir sehen vermehrt die Gründung neuer Investment-Vehikel durch Versicherer. Oder in Kürze: Wir erleben die beginnende Agilisierung und digitale Vernetzung der Versicherungsbranche. Das macht Mut, den es auf diesem Weg auch braucht.
Die genannten Entwicklungen finden momentan weitgehend unbeobachtet im Hintergrund statt. Insbesondere der horizontale Vertrieb mehrmandantenfähiger Lösungen von Versicherer zu Versicherer, technisch umgesetzt und betreut durch unabhängige Technologiepartner, findet noch wenig Zuspruch. Warum ist das so? Weil Versicherer über ihren Schatten springen müssen, um eine technisch-prozessuale Lösung eines Mitmarktbearbeiters (oder eben doch Wettbewerbers) im eigenen Haus einzusetzen. Es fällt Versicherern bisher noch leichter, eine eigene clevere Lösung am Markt anzubieten, um Entwicklungskosten zu teilen, statt dieselbe Lösung selbst von einem Konkurrenten einzukaufen. Oder wie im Titel gesagt: Anbieten ist schon hart, Einkaufen ist noch viel härter.
Wir glauben an folgende Entwicklung
1. Es wird Druck im Hinblick auf die Umsetzung innovativer Ideen entstehen, da Mitarbeitende die Erwartung an ihr Management stellen, dass es einige der vielen ausgearbeiteten Innovationen auch umsetzt
2. Versicherer werden Lösungen für interne Prozesse immer häufiger mehrmandantenfähig aufbauen – und sie den Mitmarktbearbeitern direkt oder über Plattformen anbieten
3. Mittelständische Versicherer werden zuerst auf Eigenentwicklungen verzichten und motiviert durch höhere Funktionalität bei niedrigeren Kosten Kooperationen eingehen
4. Es beginnt ein Zeitalter gelebter Kooperation, in dem sich Anbieter darin übertrumpfen, eigene Prozesse über den Einkauf von Lösungen der Corporate Start-ups zu standardisieren – ohne dabei anbieterspezifische Ausgestaltungen (Justierung der Parameter) aufzugeben
5. Das Anbieten von Lösungen wird in der Konsequenz immer verbunden sein mit der Offenheit, auch Lösungen einzukaufen, denn der Marktplatz funktioniert nur, wenn beide Seiten vorhanden sind
Dass nicht nur Start-ups, sondern auch gestandene Tech-Konzerne eine wichtige Rolle in dieser Entwicklung spielen werden, erscheint logisch. Wichtig wird es sein, diese Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Playern auf Augenhöhe zu organisieren.
Anbieten ist hart – Einkaufen ist härter. Der Weg für die digitale Transformation der Versicherungsbranche ist steinig. Aber wir stehen vor dem Durchbruch. Corporate Start-ups werden nur eine von vielen Ausprägungen des digitalen Enablings der Versicherer sein, neben Start-ups und den Lösungen der Tech-Player und Plattformen. Corporate Start-ups werden aber zusätzlich einen maßgeblichen Beitrag dazu leisten, neben der technischen Transformation auch die Veränderung der Zusammenarbeit, also eine kulturelle Transformation in Versicherungen, voranzutreiben.
Als InsurLab Germany haben wir ein zentrales Petitum: Vernetzt euch. Redet miteinander. Mit Start-ups, den Tech-Playern, den Knowhow-Trägern aus der Forschung, mit Beratern und den vielen Dienstleistern. Und mit den Risikoträgern. Sie alle findet ihr auch bei uns im InsurLab Germany – bei unseren Events und Workshops, in den Arbeitskreisen und in der Garage. Digitale Transformation geht nur gemeinsam – wenn sich jeder daran beteiligt. Dann entsteht #InnovateInsurance.
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