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Mit dem zunehmenden Voranschreiten der Energiewende ergibt sich eine neue Herausforderung: die Entscheidung über die Flächennutzung. Denn in einem Land wie Deutschland, das nur begrenzte freie Flächen und eine hohe Bevölkerungsdichte aufweist, muss die Entscheidung getroffen werden, ob ein Gebiet für die Energiegewinnung oder für die Landwirtschaft genutzt werden sollte. Dieser Zielkonflikt verschärft sich zunehmend, denn für Landwirtinnen und -wirte bietet der Bau einer Photovoltaikfreifläche deutlich höhere Erträge – und dies bei geringerem Aufwand – als die landwirtschaftliche Flächennutzung.

Bereits seit einigen Jahrzenten wird weltweit an einer Lösung geforscht, die im Allgemeinen mit dem Begriff Agrophotovoltaik (kurz: Agri-PV) bezeichnet wird. Agri-PV stellt, wie der Name schon vermuten lässt, eine Technologie dar, bei der Photovoltaikmodule auf landwirtschaftlichen Flächen installiert werden. Diese Kombination ermöglicht die Stromerzeugung mit gleichzeitiger landwirtschaftlicher Nutzung und stellt somit eine effizientere Nutzung von Flächen dar.

Wie funktioniert Agri-PV?

Grundsätzlich gibt es eine Vielzahl von verschiedensten Designs und Konzepten innerhalb der Agri PV Technologie und je nach Standort, Frucht oder auch Bodenbeschaffenheit eignen sich unterschiedliche Formen. Die Gemeinsamkeit besteht darin, dass eine ursprünglich landwirtschaftliche Fläche mit einem Gerüst aus PV-Modulen bebaut wird. Dabei wird zwischen geschlossenen und offenen Systemen unterschieden. Bei offenen Konstrukten können die PV-Module entweder hoch über den Pflanzen oder platzsparend zwischen den Pflanzen installiert werden und einige sind in der Lage, nach dem Sonnenstand ausgerichtet zu werden. Geschlossene Systeme können Teil der Bedachung von Gewächshäusern sein und sind in der Regel starr – sprich, verfügen über keine Nachführungsmechanik.

Die häufigste Form von Agri-PV-Anlagen sind Module, die auf Stelzen über einem Acker errichtet werden. So kann der Acker genutzt werden, um Obst, Getreide oder Gemüse anzubauen, und die landwirtschaftlichen Maschinen haben aufgrund der Höhe des Gerüsts keine Einschränkungen im Betrieb zu befürchten. Die Breite der Stelzen kann dabei individuell an die Bedürfnisse der Landwirtinnen und Landwirte angepasst werden.

Der größte Unterschied zwischen Modulen in Agri-PV-Anlagen und klassischen PV-Modulen, die bei der Nachbarin oder dem Nachbarn auf dem Dach installiert sind, besteht darin, dass bifaziale Module zum Einsatz kommen. Diese Eigenschaft beschreibt, dass die Solarzellen in der Lage sind, von beiden Seiten Licht(photonen) zu absorbieren. Dadurch können diese Module sowohl die direkte Sonneneinstrahlung als auch das reflektierende Licht vom Acker beziehungsweise von den Pflanzen nutzen.

Worin liegen die Vor- und Nachteile von Agri-PV-Anlagen?

Die Nachteile bei der Nutzung von Agri-PV-Anlagen liegen derzeit in den höheren Kosten, die im Vergleich zu Freiflächen-PV-Anlagen entstehen. Das hängt zum einen damit zusammen, dass die Stelzen zusätzliche Kosten verursachen, und zum anderen damit, dass die Errichtung der Konstruktion aufwendiger und damit teurer ist. Außerdem kosten die bifazialen Module (noch) mehr Geld. Dies kann sich in Zukunft mit steigender Verbreitung von Agri-PV-Anlagen und dem damit verbundenen Skaleneffekt ändern.

Des Weiteren können höhere Kosten durch eine aufwendige Reinigung der Module entstehen. In Deutschland kann zum Großteil auf eine Reinigung verzichtet werden, denn der Niederschlag ist ausreichend und säubert die Panels von Staub und Schmutz. In anderen Teilen der Erde kann eine zusätzliche Reinigung notwendig werden, die aufgrund der hohen Stelzbauweise aufwendig sein kann. Ein großer Nachteil für die Agri-PV bestand bislang darin, dass die EU-Agrarsubventionen nur an Landwirtinnen und -wirte bezahlt wurden, die den Acker primär für landwirtschaftliche Zwecke genutzt haben. Bei einer zusätzlichen Nutzung durch Agri-PV wurden die Subventionen nicht mehr gezahlt, sodass kaum Anreize bestanden, diesen Weg zu gehen. Dieses Problem soll durch das EEG 2023 gelöst werden, sodass Landwirtinnen und -wirte für Flächen mit Agri-PV-Anlagen die europäischen Agrarsubventionen erhalten können. Entscheidend dabei ist, dass trotz der PV-Anlagen mindestens 85 Prozent der ursprünglich landwirtschaftlichen Fläche genutzt werden können.

Des Weiteren kann durch den Schattenwurf der Module das Pflanzenwachstum geringer ausfallen und den Ertrag um bis zu 20 Prozent senken. Die Verwendung von Schattenpflanzen (etwa Spinat, Weißkohl oder Rote Bete) in Kombination mit Agri-PV ist am sinnvollsten, denn diese reagieren weniger empfindlich auf eine Reduzierung der Einstrahlung. Demgegenüber benötigen Sonnenpflanzen (beispielsweise Thymian) eine hohe Einstrahlungsintensität für das Pflanzenwachstum. Hierbei zeigt sich auch, dass ein Nachteil zum Vorteil werden kann: Denn in heißen und niederschlagsarmen Sommermonaten ist es förderlich, wenn die Pflanzen vor der intensiven Sonneneinstrahlung geschützt werden, sodass sogar mit einem Mehrertrag zu rechnen ist.

Durch die dachähnliche Bauweise von Agri-PV-Anlagen ergeben sich verschiedene Vorteile:

  • Das verdunstende Wasser aus den Pflanzen kühlt die Photovoltaik-Module von unten. Dies hat einen direkte Effekt auf den Wirkungsgrad von PV-Modulen, denn ab einer Temperatur von 25 Grad Celsius sinkt der Wirkungsgrad um 0,35 bis 0,45 Prozent pro 1 Grad Celsius Anstieg.
  • Ein weiterer Effekt ist, dass der Wasserhaushalt der Pflanzen positiv beeinflusst wird. Durch die Überdachung kann die Niederschlagsmenge verteilt und die Pflanze geschützt werden.
  • Des Weiteren kann der Einfluss von Schnee oder Hagel – der insbesondere Obstbauerinnen und -bauern große Sorgen bereitet – reduziert werden. Derzeit schützen viele Landwirtinnen und -wirte ihre Obstbäume mit Netzen vor dem Hagel, die wiederum aus Kunststoff hergestellt werden. Durch Agri-PV-Anlagen könnte der Einsatz von Netzen und Folien reduziert werden.
  • An besonders heißen Sommertagen können die Pflanzen durch eine gezielte Verschattung vor Sonnenbrand und Trockenheit geschützt werden.
  • Für die Landwirtinnen und -wirte erhofft man sich durch die gezielte Verwendung von Agri-PV-Anlagen eine Reduktion von Pflanzenschutzmitteln und die Möglichkeit, zusätzliche Erlöse durch den Verkauf von Strom aus Agri-PV-Anlagen zu generieren.

Welche Potenziale bestehen für Agri-PV-Anlagen?

In Zukunft werden Agri-PV-Anlagen eine tragende Rolle einnehmen müssen, denn mit den aktuellen PV-Ausbauraten (2022: 7,2 Gigawatt [GW]) wird Deutschland seine Ziele von 400 GW Leistung aus PV-Anlagen für das Jahr 2040 nicht erreichen. Dafür wäre nach aktuellen Berechnungen eine jährliche Ausbaurate von circa 22 GW notwendig. Nach Studien des Fraunhofer ISE besteht in Deutschland ein Potenzial von 1700 GW aus Agri-PV-Anlagen – ein Vielfaches des Ausbauziels. Demnach wäre es sinnvoll, einen Teil der notwendigen PV-Kapazitäten durch Agri-PV-Anlagen umzusetzen und den Konflikt um den Flächenverbrauch durch Solarenergie zu entschärfen.

Insbesondere in ariden Gebieten – zum Beispiel in Wüsten oder sehr trockenen Zonen – könnte mit zunehmender Klimaerwärmung der Einsatz von Agri-PV-Anlagen für die Landwirtschaft eine Notwendigkeit darstellen, um mit dem kostbaren Wasser und der starken Sonneneinstrahlung Landwirtschaft weiterhin betreiben zu können. Aktuell wird in der Wüste Gobi (China) die weltweit größte Agri-PV-Anlagen mit einer Leistung von 700 Megawatt gebaut.

Die derzeitigen Stromgestehungskosten für Agri-PV liegen je nach Typ zwischen 4 und 11 Cent/Kilowattstunde und im Durchschnitt bei 8,15 Cent/Kilowattstunde. Damit sind sie im Vergleich zu Freiflächen-PV-Anlagen noch doppelt so teuer. Allerdings wird erwartet, dass sich diese Differenz in Zukunft verringern wird. Bei dem Kostenvergleich mit kleinen Dachanlagen gewinnt bereits die Agri-PV.

Für die Landwirtinnen und Landwirte ergeben sich verschiedene Möglichkeiten, um Agri-PV-Anlagen zu nutzen. Dazu zählen: der Eigenverbrauch des Stroms, die Verpachtung der Fläche oder die Direktvermarktung des Stroms. Im Rahmen des Forschungsprojekts VideKIS wird ein neuartiges virtuelles Kraftwerk entwickelt, das es Betreibern von Erneuerbare-Energien-Anlagen – wie Agri-PV-Anlagen – die Möglichkeit bietet, den Strom an der Strombörse und sogar am Primärregelleistungsmarkt anzubieten. Dabei entlastet das virtuelle Kraftwerk die Landwirtinnen und -wirte von den administrativen Pflichten und vermarktet die Agri-PV-Anlage gewinnmaximierend.

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Autorin Zoe Holdt

ist Beraterin für die Line of Business Utilities bei adesso und begleitet agile wie auch klassische Projekte in der Energiewirtschaft. Neben dem Projektgeschäft treibt sie die Entwicklung des Themenschwerpunkts Wasserstoff bei adesso weiter voran.

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Autorin Ellen Szczepaniak

Ellen Szczepaniak ist eine erfahrene Projektmanagerin mit Schwerpunkt in der Beratung von Unternehmen der Energiewirtschaft. In ihren Projekten hat sie sowohl Erfahrungen als Requirements Engineer und Scrum Master im agilen Umfeld als auch als Interaction Room Coach und Managementberaterin in klassischen Projekten gesammelt. Sie zeichnet sich insbesondere durch ihre strukturierte und analytische Vorgehensweise sowie ihre Expertise im Kontext der Energiewirtschaft und Elektromobilität aus.

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Autor Simon Bächle

Simon Bächle ist Berater für die Line of Business Utilities bei adesso. Seine Arbeitsschwerpunkte bilden das agile Projektmanagement sowie die Anwendung von Data Science in der Energiewirtschaft. Darüber hinaus beschäftigt er sich als Business Analyst im Forschungsprojekt VideKIS mit der Entwicklung eines neuartigen virtuellen Kraftwerks.

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Schlagwörter:

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