Menschen von oben fotografiert, die an einem Tisch sitzen.

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Das Thema Agilität wird seit einiger Zeit sehr gehyped. In Timelines auf diversen sozialen Netzwerken, ob nun LinkedIn, Twitter oder XING, erscheint gefühlt mittlerweile der 1.000ste Blogbeitrag darüber, was Agilität eigentlich bedeutet, was eine agile Organisation ausmacht und wie diese am besten in Richtung Agilität gecoached werden kann. Es erscheinen Zitate oder Kurzvideos von fast jedem DAX CEO/CIO, dass die agile Transformation vorangetrieben werden soll und man werden will wie Amazon, Netflix oder Google.

Genau die damit verbundene Informationsflut kann dazu führen, dass Agilität als Hype wahrgenommen wird und dadurch die Kerngedanken und Vorteile agiler Vorgehensweisen nur noch oberflächlich betrachtet werden. Für Unternehmen ist Agilität allerdings absolut überlebenswichtig. Insbesondere wenn sich die Zeiten so rasant ändern wie heute. Nicht nur Geschäftsmodelle werden auf den Prüfstand gestellt, müssen angepasst und sogar neu gedacht werden. Auch die Arbeitswelt an sich ändert sich – sie wird flexibler, digitaler und eigenverantwortlicher. Aus meiner Sicht ist genau für diesen Wandel Agilität eines der Kernelemente. In meinem Blogbeitrag habe ich Agilität einmal tiefergehend betrachtet und möchte euch meine vier Kerngedanken dazu näherbringen:

Agilität ist kein Selbstzweck

Agilität – und hiermit meine ich die schnelle und flexible Anpassung an sich ändernde Umstände – ist meiner Meinung nach enorm wichtig geworden, damit auch etablierte Unternehmen weiterhin erfolgreich am Markt bestehen können. Ob es sich hierbei nun um Banken oder Versicherungen, Autobauer oder Maschinenbauer, Softwareanbieter oder Chiphersteller handelt, spielt für mich eine eher untergeordnete Rolle.

Die Intention agiler zu werden, sollte nicht von daherkommen, weil es gerade in Mode und Hip ist oder weil ich es als Geschäftsführer, CEO oder CIO auf dem Golfplatz gehört habe. Ich würde sagen, es ist vielmehr eine intrinsische Motivation. Denn die Bedürfnisse der Kunden und die Rahmenbedingungen der Märkte ändern sich derzeit rasant schnell.

Die neuen Geschäftsmodelle werden strikt an diesen ausgerichtet und nutzen die digitalen Möglichkeiten vollständig aus. Dies führt nun dazu, dass viele neue Marktteilnehmer auftreten und auch sehr schnell große Nutzerzahlen und Kunden gewinnen. Beispiele gibt es genug, Netflix, Amazon oder Delivery Hero. Auf die Beispiele an sich gehe ich jetzt allerdings nicht näher ein, denn ich denke, dass euch diese bekannt sind. Ich habe vielmehr einmal ein Zitat von Charles Darwin mitgebracht: #

„Es ist nicht die stärkste Spezies die überlebt auch nicht die intelligenteste sondern eher diejenige die am ehesten bereit ist sich zu verändern.“

Agile Vorgehensweisen bieten genau hierfür den idealen Rahmen, um zukünftig schnell und flexibel auf sich ändernde Umstände reagieren zu können. Daher ist Agilität wichtig, um auch zukünftig gut aufgestellt zu sein und sich am Markt zu behaupten.

Agilität betrifft nicht nur die IT

Die Produkte von deutschen Unternehmen sind super. Autos und Maschinen sind weltweit (noch) führend und auch die Versicherungsprodukte können sich international sehen lassen. Die Produkte an sich sind meiner Meinung nach auch bereits sehr flexibel.

Versicherungsprodukte sind zum Beispiel so flexibel, dass ich in der KFZ-Versicherung nach gefühlt 100 Eingaben einen individuellen Preis berechnet bekomme. Wenn ich das notwendige Kleingeld habe, dann kann ich mein neues Auto vollständig individuell konfigurieren – von der Größe des Motors bis hin zu einem speziell von mir gewünschten Leder für den Innenraum.

Genau dies führt heute aber auch zu verhältnismäßig langen und komplexen Produktentwicklungsprozessen. Ich denke man könnte einmal ausprobieren, auch tatsächliche physische Produkte beziehungsweise Verkaufsprodukte agil zu entwickeln und genau auf Basis des Kundenfeedbacks anzupassen. Denn wer weiß heute noch, welche Funktionen ein voll ausgestattetes Auto alles bietet. Oder ob Versicherungskunden vielleicht doch dazu bereit sind ein paar Euro mehr zu bezahlen, wenn sie dafür aber so schnell wie möglich zum Abschluss kommen.

Ein Beispiel aus der Praxis sind Marketingstrategien. Anstatt 200 - 300 Millionen Euro in Marketingkampagnen zu investieren, werden diese teilweise heute schon iterativ entwickelt. Das heißt, man startet mit einer kleinen Kampagne, holt Feedback ein und kann so kurzfristig auf die Wünsche bestehender oder potenzieller Kunden reagieren und die Kampagne nachjustieren. Dadurch habe ich am Ende möglicherweise das gleiche Budget investiert, allerdings war die Kampagne erfolgreicher.

Agilität kann auch bei dem Thema „New Work“ unterstützen. Steve Jobs hat einmal gesagt:

„Ich stelle nicht die besten Mitarbeiter ein, um ihnen zu sagen was sie tun müssen, ich stelle die besten Mitarbeiter vielmehr ein, damit diese uns sagen, was wir tun müssen.“

Denn wer will schon – überspitzt gesagt – Zombies als Mitarbeitende, die nur den Ideen und Vorschlägen ihrer Vorgesetzten nachlaufen? Auch als Konzern will ich doch, dass meine Mitarbeitenden mitdenken, Ideen einbringen und versuchen, sich und das Unternehmen weiterzuentwickeln. Und das natürlich nicht nur in der IT, sondern in allen Bereichen. Ich persönlich bin beispielsweise immer wieder darüber überrascht, wie viel fachliches Wissen meistens in der IT liegt. Ich denke, dies kann durch crossfunktionale Teams durchaus genutzt werden, um für die Kunden größere Mehrwerte herauszuholen.

Was ist denn das „agilste“ das ich kenne? Die Aussage mag jetzt etwas esoterisch klingen, aber für mich handelt es sich um unsere Erde, die Umwelt und die Natur. Denn diese hat es immer wieder geschafft sich an hochkomplexe Veränderungen anzupassen. Die Tier- und Pflanzenwelt beginnt sich in Tschernobyl zu erholen, obwohl damals davon ausgegangen wurde, dass dort mehrere 100e Jahre nichts mehr leben und wachsen kann. Auch die Ozonlöscher werden kleiner und sind in 50 Jahren vielleicht sogar komplett verschwunden.

Agilität heißt Freiheit

Für mich persönlich ist Agilität vor allem auch Freiheit. Diese äußert sich darin, Dinge auszuprobieren, Hypothesen aufzustellen und zu validieren. Ganz wichtig ist hier allerdings auch, dass – auch wenn man sich bei einer Annahme geirrt hat und diese sich nicht bestätigt – man nicht daran festhält. Vielmehr sollte man seine Energie schnellstmöglich auf etwas Neues konzentrieren – Stichwort „Fail Fast“. Denn das hat sich meiner Meinung nach – zumindest in Deutschland – noch nicht durchgesetzt. Immer wieder hört man, dass der Point of no Return überschritten ist. Aber dann kann doch nicht falsch weitergemacht werden, sondern es muss nachjustiert werden, um in eine andere Richtung weiterzugehen.

Freiheit bedeutet aber erstmal auch Unsicherheit. Denn die gefühlte Sicherheit, alles bedacht, jede Möglichkeit beschrieben und alles bis ins kleinste Detail ausspezifiziert zu haben, fällt weg. Nicht vollständige Spezifikationen führen eben zu Diskussionen. Dann muss am Anfang eben häufig darüber diskutiert werden, warum eine Komplexitätsschätzung möglicherweise besser ist als eine Aufwandsschätzung in PT oder warum Akzeptanzkriterien offengehalten und Kreativität nicht einschränkt werden sollen.

Und genau das ist natürlich ein langer Prozess. Denn hier müssen alle Beteiligten – Fachabteilungen, IT und Führungskräfte – abgeholt werden, damit sich über die Zeit ein entsprechendes Mindset entwickeln kann. Die agile Transformation ist nun mal kein Sprint, sondern eher ein Marathon.

Agilität heißt Disziplin

Das klingt jetzt vielleicht erstmal widersprüchlich zu dem vorherigen Punkt – meiner Meinung nach ergänzen sich diese allerdings ganz gut. Denn auf oberster Ebene würde ich sagen, Disziplin besteht darin, sein Denken, Handeln und Umsetzen strikt am Kunden und seinen Bedürfnissen auszurichten.

Es soll eben nicht das umgesetzt werden, was politisch gewünscht ist oder wovon ich denke was wichtig ist – sondern ausschließlich das, was die Kunden wünschen.

Hier finde ich das Zitat ganz passend:

„In einem guten Unternehmen gewinnt die beste Idee, in einem schlechten die Politik.“

Agilität heißt vor allem aber nicht Chaos. Denn Agilität erfordert trotz aller Ungewissheit eine klare Visionen über das, was erreicht werden soll sowie eine ordentliche Priorisierung als zentralen Bestandteil des Weges, damit alle wissen was als nächstes kommt und sich darauf vorbereiten können. Nur weil Anforderungen, etwa in Form von User Stories, kurzfristig repriorisiert werden können, heißt das nicht, dass es kurz vor jedem Sprintwechsel Sinn macht, das Backlog zu repriorisieren.

Insbesondere eignen sich auch kurze Entwicklungs- und Iterationszyklen dazu, auf sich ändernde Umstände zu reagieren. Es wird nämlich nicht mehr alles (jahrelang) im Voraus geplant, sondern bspw. in 1-4 Wochen Zyklen gearbeitet.

Fazit

Um auch zukünftig am Markt bestehen zu können, ist es für Unternehmen notwendig, das Geschäftsmodell strikt an den Bedürfnissen der Kunden auszurichten sowie schnell und flexibel auf geänderte Umstände zu reagieren. Hierfür eignen sich insbesondere agile Vorgehensweisen, wenn diese ganzheitlich in das Unternehmen sowie die Entwicklung von Software- und Verkaufsprodukten eingebracht werden.

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Bild Florian Petermann

Autor Florian Petermann

Florian Petermann ist Managing Consultant in der Line of Business Insurance bei adesso. Er beschäftigt sich als Organisator und aktives Mitglied der Community of Practice „Agile@Insurance“ der Line of Business Insurance mit dem Thema „Agilität in der Versicherungsbranche”.

Kategorie:

Branchen

Schlagwörter:

Versicherungen

Agilität

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