Interview

KI kann die Lebensqualität von Patient:innen erhöhen

Im Gespräch:


Stefan Raupach
Client Partner Life Sciences bei adesso SE

In welchen Bereichen der Pharma- und Medizintechnikunternehmen finden sich derzeit Anwendungen von Künstlicher Intelligenz wieder?

Grundsätzlich in allen Bereichen der Wertschöpfungskette, aber auch in Querschnittsbereichen wie Finanzen oder Personal. So fließt beispielsweise ein Großteil der Investitionen von Pharma- und Biotech-Unternehmen in die Entwicklung und Erforschung neuer Medikamente. In Deutschland sind dies rund neun Milliarden Euro pro Jahr. Weltweit werden jährlich mehr als 200 Milliarden Euro in Forschung und Entwicklung investiert. Es liegt also nahe, KI gerade in diesem Bereich einzusetzen: Um Wirkstoffe schneller zu finden oder neue Anwendungsfälle für bestehende Medikamente zu testen. Diese Tests finden heute fast ausschließlich "in silicio" statt, also im Silizium des Computerchips. Spezielle Algorithmen unterstützen die Evaluierung. Das beschleunigt das Identifizieren neuer Moleküle und Proteine oder auch neuer Anwendungsfälle.

Im Bereich der klinischen Studien wird AI und GenAI eingesetzt, um Patienten:innen besser zu informieren. Darüber hinaus wird die Aggregation von Dokumenten beschleunigt: Tausende Seiten von Studienprotokollen können mit Hilfe von GenAI besser durchsucht und zusammengefasst werden. Weitere Anwendungsfälle gibt es in der Produktion sowie im Bereich Vertrieb und Marketing. Letzteres beschäftigt sich im Wesentlichen damit, Patienten:innen genauer anzusprechen und sie besser zu informieren. Omnichannel-Strategien werden durch den Einsatz von AI und GenAI zielgerichteter und personalisierter, sodass Patienten:innen besser in die Therapie miteinbezogen werden können. Man denke zum Beispiel an Health Avatare, die in Echtzeit mit Patient:innen sprechen können. Oder an Ärzt:innen, die passgenau gesuchte medizinische Informationen schnell und "across channel" bereitgestellt bekommen.


Welchen Mehrwert bietet KI im Hinblick auf die Kommunikation mit Patient:innen?

Wie oben bereits angedeutet: Therapien im Allgemeinen werden immer spezifischer und individueller. Dadurch entsteht der Bedarf, individuell mit Patient:innen zu interagieren. GenAI unterstützt bereits bei der Erstellung des Patientenprofils (Persona), die Patient Journey kann besser strukturiert und die Interaktionspunkte dynamisch gestaltet werden. AI und GenAI machen mehr aus vorhandenen Daten, personalisieren die Ansprache und sind einfach schneller und flexibler. Patienten:innen fühlen sich besser abgeholt und die Therapietreue wird dadurch erhöht.


Welche Technologien oder Algorithmen verwendet ihr, um Inhalte in mobilen Anwendungen so zu personalisieren, dass sie auf Einzelpersonen zugeschnitten sind?

Wir setzen im Wesentlichen bestehende Technologien ein, wie zum Beispiel die Angebote von Microsoft. Die Kolleg:innen der AI-Solutioning-Unit und auch Personal Health werden dann herangezogen, um die einzelnen Anwendungsfälle genauer zu spezifizieren. Vieles ist noch in der " Erprobungsphase" – wir haben Ideen und Optionen.


Glaubst du, dass personalisierte Erinnerungen, beispielsweise an die Blutdruckmessung oder an die Einnahme eines Medikaments, die Nutzung und den Nutzen erhöhen?

Dazu gibt es Studien, die die sogenannte „Adhärenz“ untersucht haben. Adhärenz beschreibt in der Medizin das Einhalten von gemeinsam festgelegten Therapiezielen. Der Erfolg einer Therapie hängt wesentlich von der Mitarbeit und Motivation der Patient:innen ab. Studien zeigen, dass diese Adhärenz durch den Einsatz digitaler Tools gesteigert werden kann. Das wiederum erhöht die Lebensqualität der Patient:innen und reduziert Kosten, zum Beispiel durch eine geringere Anzahl von Krankenhauseinweisungen. Mit Hilfe von AI und GenAI können diese Erinnerungen und zusätzlichen Informationen viel mehr auf die Bedürfnisse der Patient:innen ausgerichtet werden. Dies betrifft sowohl den Inhalt und Kontext als auch die Tonalität.

Zur Realität gehört aber auch, dass für das gesamte Thema KI und GenAI eine gute und solide Datenbasis vorhanden sein muss. Das Training der KI und der situative Einsatz hängen wesentlich davon ab.


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